Die Geschichte von dem kleinen naseweisen Mädchen ( 7 )
Aber, du lieber Himmel - auf dem Christkindplatz war es so warm und schön,
da hatte man nichts davon gemerkt, in dem Walde jedoch schneite es ganz
jämmerlich. "Liebes Christkind", rief Mathildchen und das Weinen
war ihm wieder näher als das Lachen, "sieh nur, wie es schneit; bis
ich nach Hause komme, sind meine schönen Sachen alle verdorben!"
"Das ist ärgerlich", sagte das Christkind, "da
schütteln die Engelein wieder mein Bett auf und jagen die Flocken durch
den ganzen Wald. Aber ich will schon helfen, Nikolaus!"
"Weiß schon, was ich soll", brummte der Alte, ging nach dem
Felsen und holte einen gar hübschen, kleinen Regenschirm von rotem Zeug
herbei, spannte ihn selber auf und reichte ihn dem erstaunten Mathildchen hin.
"Den soll ich auch mitnehmen?" sagte es schüchtern, aber seine
Stimme zitterte vor Freude.
"Ja, nimm ihn nur, Naseweischen", knurrte Nikolaus, "so ein Ding
hast Du schon lange gebraucht und wenn Du jetzt nach Neujahr in die Schule
gehst, wird es dir noch notweniger sein."
"Danke, lieber Nikolaus, danke!" rief Mathildchen freudig.
"Jetzt bin ich ein lieber Nikolaus, ja, so ist's immer, wenn man den
Leuten etwas schenkt", schalt er hinter ihr drein, während sie schon
mit eiligen Schritten den Berg hinab lief.
Am nächsten Morgen konnte das Mathildchen gar nicht aus dem Bett heraus.
Die Mama hatte es wohl schon dreimal geweckt, der Bruder stand vor ihrem Bett
und rief: "Langschläfer-Tilla!" und die Lisette versicherte ein-
über das andermal, dass sie jetzt Mathildchens Frühstücksmilch
der Katze geben werde.
Endlich, endlich machte das faule Kind die Augen auf, rieb sich den Sandmann
heraus und schaute verwundert in der Schlafstube umher. Die sah accurat aus,
wie am Abend vorher, gar nichts Neues war darin zu erblicken.
"Die Mama wird Alles in das gute Zimmer getragen haben", dachte
Mathildchen, dann rief es laut: "Lisette, gib mir einmal meine
Schürze, die ist ganz voll mit guten Sachen; ich brauche heute Morgen kein
Brot zu meiner Milch, ich esse von meinem Guts und dem Bruder gebe ich auch
davon."
"Was schwatzt das Kind?" sagte die Lisette und sah ihre Madame ganz
verwundert und lachend an.
"Du brauchst mich gar nicht auszulachen, Lisette", rief Mathildchen
eifrig, "ich war heute Nacht oben auf der Böllsteinerhöhe und
habe das Christkind und den Nikolaus gesehen und die haben mir herrliche Sachen
geschenkt, eine prächtige Puppe und blaue Schuhe und einen roten
Regenschirm und eine ganze Schürze voll Konfekt - Mama, wo hast Du denn
Alles hingetan?" Das war ein Erstaunen - die Lisette schlug die Hände
über den Kopf zusammen, der Bruder schrie: "Will auch gute Sachen und
Regenschirm!" Die Mutter aber nahm ihr Mathildchen auf den Schoß und
sagte lachend: "Du dummes, kleines Mädchen! glaubst Du denn, die Mama
würde ihr Mathildchen in der Nacht auf die Böllsteinerhöhe
laufen lassen, ohne etwas davon zu merken? Du hast die ganze Nacht hier
süß und sanft neben mir geschlafen, nur viel zu fest, denn der Papa
ist schon längst ausgefahren zu den kranken Leuten und konnte Dir nur im
Schlaf ein Küsschen geben."
"Wie, Mama?" rief Mathildchen und schluchzte laut, "ich habe
keine Puppe und keinen Regenschirm und kein ABC Buch?"
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Luise Büchner 1821 - 1877
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