Die Geschichte von dem kleinen naseweisen Mädchen ( 6 )
"Du sollst sie bekommen, mein Kind", sagte Christkindchen,
schüttelte seine Flügel ein wenig auseinander, flog hinauf und holte
die Puppe, welche ganz oben an der Spitze hing, herunter.
"Und was nun noch?"
"Noch mehr?" rief Mathildchen erfreut, "ach, dann gebe mir
für meine Puppe auch ein Bettchen, in dem sie des Nachts neben meinem
Bette schlafen kann, und eine Wärmflasche darin, damit mein Kind sich
nicht erkältet."
"Hier, mein Herz", sagte Christkind und reichte Mathildchen eines von
den schneeweißen Bettchen hin, in dem nicht allein eine Wärmflasche,
sondern auch ein schönes langes Schlafkleid und ein weißes
Nachthäubchen lag. Mathildchen war außer sich vor Freude; es
drückte bald die Puppe und bald das Bett an sich, und hielt dabei sein
volles Schürzchen fest, da sah es so drollig aus, dass selbst der Nikolaus
ein freundlicheres Gesicht machte.
"Wie ist es denn mit Deinen Schuhen?" sagte jetzt das Christkindchen,
"ich meine die blauen, lackierten Schuhe da aus Paris, dürften im
Sommer zu Deinem weißen Kleidchen recht niedlich aussehen, die wollen wir
auf das Puppenbett legen, und eines dieser Bilderbücher wäre für
die langen Winterabende, die noch nach Weihnachten kommen, auch nicht zu
verachten, meinst Du nicht?"
"Christkind, liebes Christkind, du gibst mir zu viel, Du bist zu
gut", rief Mathildchen entzückt und file vor dem Christkindchen auf
die Knie und sah es mit ganz verklärten Augen an. Aber Christkind hob es
wieder auf, fuhr ihm mit seiner weißen Hand über die Locken und
sprach sanft: "Du bist dankbar und bescheiden, meine Kleine, das ist mir
lieb; bleibe nur so und damit Du es bleibst, darum sei fleißig und lerne
etwas.
Nimm noch dieses Büchlein hier mit den schöngemalten Buchstaben, sieh
jeden Tag hinein und wenn es wieder Weihnacht ist, dann musst du so gut lesen
können, dass ich dir eines von den schönen Lesebücher schenken
kann, die hier stehen. Weil man aber nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit
den Händen fleißig sein muss, gebe ich Dir dies
Arbeitskästchen, da sind Nadeln, ein Fingerhütchen und eine Schere
drin, damit lerne hübsch nähen, und mit den vergoldeten Stricknadeln
hier und dem Kringel Garn strickst Du bis zum nächsten Jahr für die
kleine Schwester ein Paar Strümpfe. Willst Du fleißig und folgsam
sein und Dir Mühe geben, Alles gut zu machen?"
Als das Christkind so sprach, liefen dem Mathildchen wieder wie vorhin dicke
Tränen über die roten Wangen, aber nicht wie vorhin aus Angst,
sondern vor Glück und Freude und es rief: "Herzliebes Christkind, ich
verspreche Dir das ganze Jahr und immer brav und fleißig, folgsam und
bescheiden zu sein, so dass Du und meine Eltern und alle Leute daheim ihre
Freude an mir haben!"
"Nun, so geh' jetzt mein Kind", sagte Christkindlein, indem es die
Kleine auf die Stirne küsste, "die Sternlein werden blasser und der
Mond ist schon lange schlafen gegangen. Eile Dich, damit du in Dein Bett
kommst, sonst erschrickt Deine Mama, wenn sie Dich morgen früh nicht
findet!" Damit packte es dem Mathildchen seine Siebensachen zusammen, gab
ihm Alles unter den Arm, ermahnte es die Schürze recht schön
zuzuhalten und führte es auf den rechten Weg in den Wald.
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Luise Büchner 1821 - 1877
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