Die Geschichte von dem kleinen naseweisen Mädchen ( 9 )
Gewiss habe ich unterwegs beim Heimlaufen die schönen Sachen verloren und
Ihr habt sie wiedergefunden!"
"Richtig", sagte die Mama, "so wird es sein. Alles kommt zur
rechten Zeit - aber nur nicht mehr, wenn es wieder Weihnacht wird, ein
naseweises Mädelchen sein." -
Das wirkliche Mathildchen seufzte tief auf, nachdem die Tante geendet und
sagte: "Die Christbescherung auf der Böllsteinerhöhe möchte
ich aber doch auch einmal sehen." "Geh'", antwortete die Tante,
"Du bist ein kleiner Angsthase und würdest Dich gar nicht getrauen in
die Nähe des Nikolauses zu gehen. Ich glaube fast, heute Abend kommt er
hierher."
Husch, saßen Georg und Mathildchen auf der Tante Schoß, weil sie
sich da sicherer glaubten, und sie hatte wirklich recht. Es rasselte an der
Tür und schlug mit einer Rute daran , man hörte es ganz deutlich.
Dann ging die Türe ein wenig auf und der Nikolaus rief mit seiner
brummigen Stimme herein: "Sind hier die Kinder geschickt?" und
zugleich rollte er eine ganze Ladung von Äpfeln und Nüssen in's
Zimmer.
Georg und Mathildchen nahmen die Tante fest um den Hals, die aber sagte:
"Die Kinder sind recht lieb und brav, Nikolaus."
"Dann sollen sie hierher kommen und mir ein Händchen geben und mir
einen Vers aufsagen!"
Die Tante stand auf, die Kinder drückten sich immer noch scheu an sie,
gingen aber doch mit bis zur Türe. "Nun, Mathildchen", sagte die
Tante, "gib jetzt dem Nikolaus schön eine Hand und sage den
Christkindvers, den ich Dich gelehrt."
Mathildchen streckte zitternd ihre Hand durch die Türspalte, da strich ihr
der Nikolaus mit der Rute darüber, dass sie schreiend wieder
zurückfuhr.
"Tut nichts", rief die Tante lachend, "sage nun Deinen
Vers", und Mathildchen begann:
"Liebes Christkind, lass mich sein
Stets wie Du so fromm und rein,
Und lass mich so gerne schenken,
Und so treu für andere denken,
Wie Du es tust weit und breit
In der goldnen Weihnachtszeit!"
"Schön", brummte Nikolaus durch den Türspalt, "strecke
jetzt noch einmal die Hand heraus!"
Mathildchen gehorchte und jetzt berührte statt der Rute etwas Weiches ihre
Hand und als sie dieselbe herein zog, hielt sie ein großes Lebkuchenherz
fest.
"Will auch", rief Georg, "kann aber keinen Vers sagen!"
"Das sollst du auch nicht, sei aber nur nicht mehr eigensinnig, sonst
gibt's !" so brummte es wieder durch die Türe.
Georg streckte nun auch die Hand hinaus, die erst ein bisschen mit der Rute
gestreichelt wurde, aber dann ein großes Stück Anisgebackenes bekam.
"Gute Nacht! jetzt gehe ich wieder fort", rief der Nikolaus noch
herein, dann hörte man ihn mit seinen schweren Pelzstiefeln forttappen; im
Hof gab es aber noch ein großes Geschrei, denn da hatte er der Lisette,
die ihn necken wollte, tüchtig die Rute gezeigt. -
"Jetzt aber schnell ins Bett, Kinder", rief die Tante, "es ist
die höchste Zeit!"
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Luise Büchner 1821 - 1877
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