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  Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt ( 1 )
  Am Tage vor Weihnachten war das Wetter hell und klar und der Schnee festgefroren. Da sagte die Tante zu den Kindern: "Heute führe ich Euch auf den Weihnachtsmarkt, lasst Euch schnell die Mäntelchen anziehen und die Hütchen aufsetzen!"
  Das brauchte sie nicht zweimal zu sagen, in einem Augenblick waren die Kinder fertig und nun ging es hinaus in den frischen, klaren Morgen. Man dachte aber gar nicht an die Kälte, denn in den Straßen war ein so geschäftiges Hin - und Herrennen, ein so hastiges Treiben, als ob der schönste Frühlingstag angebrochen wäre. Und fast ein Frühlingsanblick war es auch, als die Tante nun mit den Kindern in die Straße einbog, welche zum Markte führt. Sie hielt Georg und Mathildchen an beiden Händen und so gingen sie durch zwei lange, dichte Reihen von Fichten - und Tannenbäumen aller Art, groß und klein, hell - und dunkelgrün, die sich prächtig ausnahmen auf dem weißen, funkelnden Schnee. Um die Bäume herum war ein Drängen und Schieben, dass man kaum vorbei konnte, und überall begegnete man Leuten, die ihre Bäume schon nach Hause trugen.
  "Aber, Tante", sagte Mathildchen, "ich dachte, das Christkindchen bringt Alles, und nun holen sich doch da die Menschen ihre Christbäume selbst nach Hause."
  "Das ist wahr", sagte die Tante, "aber Du vergisst, dass sie das Christkind alle hierher geschickt, und unsichtbar geht es jetzt mit dem Nikolaus umher und sieht und hört Alles, was hier vorgeht. Es gibt jetzt so viele Menschen auf der Welt, dass die Beiden mit dem besten Willen nicht mehr alle Geschäfte allein fertig bringen können und da müssen sie sich schon von den großen Leuten ein wenig helfen lassen. Verstehst Du das?"
  "Ja, Tante, ganz gut", antwortete Mathildchen und befriedigt gingen sie weiter nach dem Markte, wo eine Bude neben der andern stand, angefüllt mit begehrenswerten Herrlichkeiten. Auch da ging es munter zu und namentlich vor dem Puppenladen standen ganze Reihen von Kindern, die zusahen, wie die Puppen sich an langen Fäden hin - und herschaukelten.
  Georg und Mathildchen sperrten Mund und Nase auf, die Tante aber ging bald da, bald dort an eine Bude, sprach leise einige Worte und ließ dann geheimnisvoll etwas in ihre große Markttasche gleiten.
  "Tante, kaufe mir auch etwas", bat Mathildchen, "die Puppe mit dem rosa Kleid möchte ich gerne haben, die gefällt mir!"
  "Mir auch kaufen, eine Peitsche!" rief Georg. "Ihr seid klug", sagte die Tante, "Ihr wollt also schon heute und morgen noch einmal beschert haben?" "Ja, Tante, recht gern!" rief das kleine mutwillige Volk und - was wollte die gute Tante machen? Sie kaufte die Puppe und die Peitsche und als sie erstere gerade dem Mathildchen hinreichen und in die ausgestreckte Hand geben wollte, hörte sie hinter sich sagen: "Ach, wenn doch die schöne Puppe mein wäre!" Sie sahen sich Alle um, da stand ein Häuflein Kinder beieinander, vier oder fünf, die waren ganz blau und rot gefroren, denn sie hatten nur schlechte, dünne Kleider an und der Wind zerzauste ihre gelben, unbedeckten Haare. Das Kind, welches gesprochen, war ein wenig kleiner als Mathildchen und streckte immer noch die Hand nach der Puppe aus, obgleich die größeren es am Rocke zupften und ihm wehrten.
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  Luise Büchner 1821 - 1877
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