Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt ( 5 )
Mariechen half auspacken und auflegen und war ganz außer sich vor Freude.
Als sie fertig waren, sagte Christkind: "Für Dich Mariechen, habe ich
nichts, was meinst du dazu?"
"O, liebes Christkind", rief Mariechen und hob die gefalteten
Hände in die Höhe, "ich bin doch die Glücklichste von
Allen; Du gibst mir das Schönste und Beste, indem ich den Andern bescheren
und ihre Freude sehen darf." "Recht so, meine Kleine",
antwortete das Christkind und küsste Mariechen wieder auf die Stirne,
"Bleibe so gut und liebevoll und es wird Dir wohl gehen auf Erden und alle
Menschen werden Dich lieben!"
"Wir müssen fort", mahnte der Nikolaus, "wir sind noch
lange nicht fertig."
"Ich komme schon, alter Brummbär", sagte Christkind, breitete
seine Flügel auseinander, lächelte Mariechen noch einmal freundlich
zu und - fort waren sie. Nur ganz aus der Ferne hörte man noch Eselchens
Glöcklein erklingen.
In dem engen Häuschen aber erhob sich jetzt ein Jubel und Jauchzen, wie es
in keinem der reichen, stattlichen Häuser froher und herzlicher gewesen.
Auf Mariechens Ruf waren sie aus der dunklen Kammer herausgestürzt,
standen erst einen Augenblick wie versteinert und dann brach die helle Freude
los.
"Ach, was für ein schönes Kleid! - Wie, eine Flinte für
mich? Ich schieße euch alle tot: Pfiff, Pfaff, Pfuff! - Ein Buch, ein
Buch! Daraus lese ich Euch vor! - Zieh, Gaul, zieh!" So ging es wohl eine
Viertelstunde lang ohne aufzuhören, man war fast taub von dem Lärm.
"Aber Mariechen, Du hast ja gar nichts", riefen auf einmal die
Geschwister, nachdem sie sich an ihren Geschenken und dem strahlenden
Christbaum satt gesehen. Die Mutter, die bis dahin nur durcheinander gelacht
und geweint hatte, nahm ihr Mariechen in den Arm, küsste und drückte
es fest an sich und sagte zu den Andern: "Seht Ihr nicht, dass sie das
Beste bekommen hat. Weil sie so gerne gibt, durfte sie uns geben, und das ist
immer noch zehnmal seliger als nehmen. - Wie nun die Tante schwieg, denn die
Geschichte war zu Ende, blieben die Kinder noch ein Weilchen sitzen, dann sagte
Mathildchen:
"Tante ich möchte die rosa Puppe, welche Du mir heute gekauft hast,
gerne dem kleinen Mädchen bescheren, das wir heute auf dem Markt gesehen.
Wenn wir nur wüssten, wie es heißt und wo es wohnt!"
"Und ich will die Peitsche bescheren!" rief Georg. "Wollt Ihr
gerne?" sagte die Tante; "nun, das ist schön, da haben wir ja
alle drei den gleichen Gedanken, und ich weiß auch, wie die Kinder
heißen und wo sie wohnen. Heute Abend erlaubt Euch die Mama ein
Stündchen länger aufzubleiben; da sollt Ihr mir eine ganz
Weihnachtsbescherung für sie rüsten helfen!"
Georg und Mathildchen klatschten vor Freude in die Hände und liefen
geschäftig hin und her der Tante zu helfen. Erst wurde das
Tannenbäumchen hereingebracht, welches sie auf dem Markte gekauft hatten,
wurde in ein Moosgärtchen gesteckt, in dem gleichfalls rotbeinige Schafe
weideten, und hernach feierlich die große Tasche herbeigeschleppt, die so
viele Schätze verschlungen hatte und sie nun alle wieder herausgeben
musste.
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Luise Büchner 1821 - 1877
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