Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt ( 4 )
Der band das Eselchen an
der Türe fest, Christkind stieg ab, machte leise die Türe auf und
Nikolaus trug die schweren Tragkörbe, die er dem Esel abgenommen, in das
Haus hinein.
In der Küche stellte sie Alles nieder, dann schellte Christkind laut und
lange, dass sie drinnen in der Stube Alle in die Höhe fuhren und nach der
Türe liefen, um zu sehen, was das bedeute. Dass es so kommen würde,
hatte sich der Nikolaus schon vorgestellt; er stand darum vor der
Stubentüre und rief, als sie aufging, mit seiner Bärenstimme hinein:
"Es soll Niemand heraus kommen, als das Mariechen!"
Da flohen Alle vor furcht wieder zurück und nur Mariechen kam
unerschrocken heraus und sagte: "Da bin ich, was soll ich tun?"
"Komm' in die Küche!" brummte der Nikolaus jetzt etwas sanfter
und als sie hineinkam, da war diese ganz erfüllt von dem wunderbarsten
Glanze und Mariechen sah das Christkind leibhaftig vor sich stehen. Nun
erschrak es so sehr, dass es fast umgefallen wäre, Christkind aber fasste
es in die Arme, küsste es auf die Stirne und sagte: "Kennst Du mich
noch?" und als Mariechen erstaunt mit dem Kopfe schüttelte, fuhr es
fort: "Aber ich kenne Dich, so wie ich alle guten und braven Kinder kenne.
Ich war die Frau, die Dir gestern auf dem Weihnachtsmarkt die Trompete für
den Bruder gab, weil Du ihm lieber als Dir eine Freude gönntest und darum
komme ich, um heute auch dir ein Vergnügen zu bereiten. Weil du so gerne
gibst, sollst du jetzt Deinen lieben Geschwistern und Deiner Mutter an meiner
Stelle bescheren. Ist Dir das recht?"
Das gute Mariechen schluchzte laut vor Freude: "O Christkind", rief
es, "so viel verdiene ich ja gar nicht." "Weine jetzt nicht,
Mariechen, sondern eile Dich, wir müssen wieder fort", sagte
Christkind, "gehe hinein in die Stube und schicke sie Alle in die Kammer,
damit wir anfangen können."
Mariechen wusste nicht, ob es träume oder wache, aber es lief hinein in
die Stube und rief zwischen Weinen und Lachen: "Macht Euch schnell Alle
hinein in die Kammer und guckt ja nicht durch's Schlüsselloch, es kommt
etwas sehr Schönes!"
Die Mutter wollte erst fragen, aber Mariechen bat sie so herzlich, mit den
Geschwistern hinein zu gehen, dass sie sich fügte. Dann schloss Mariechen
schnell die Türe hinter ihnen zu, lief in die Küche, dann wieder
herein und holte auf Christkindchens Geheiß ein weißes Tuch aus dem
Schrank, das es über den alten, schwarzen Tisch breitete. Nun fing der
Nikolaus an auszupacken und seine Siebensachen in die Stube zu schleppen.
Mitten auf den Tisch stellte er einen Christbaum, der war über die
Maßen schön geschmückt und mit Lichtern ganz übersät.
Der Baum stand in einem Moosgärtchen, in dem weideten weiße,
flockige Schafe mit goldnen Halsbändern und langen, roten Beinen und ein
Schäfer saß auf einem Felsen und blies auf seiner Schalmei, man
hörte es aber nicht. Dann wurde um den Baum herum große
Herzlebkuchen gelegt, für die Mutter und jedes der Kinder einen. Auf jedem
schichtete Christkind ein Häufchen Äpfel, Nüsse und
Anisgebackenes auf und legte die Päckchen daneben, die Nikolaus ihm
reichte. Da war für die Mutter ein warmes Tuch, Für Gretchen ein
Kleidchen und eine schöne Puppe, für Hans eine Mütze und ein
Lesebuch, für Jakob ein Kittel und eine Flinte und für den kleinen
Trompeter, der spaßiger Weise auch gerade Peterchen hieß, warme
Schuhe und Strümpfe und ein Paar wundernette Pferdchen mit roten
Zäumen.
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Luise Büchner 1821 - 1877
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