Wie der alte Christian Weihnachten feierte ( 2 )
Dichter Tabaksqualm umfing mich, als ich zögernd näher trat und die
Tür hinter mir zuzog; und zuerst sah ich weiter nichts, als die mir
wohlbekannte, aufrechte Gestalt mit der Jagdjoppe und den hohen Wasserstiefeln,
die er, wie ich sah, auch im Hause trug. Auf sein knurriges, doch nicht gerade
unfreundliches: "Na, was bringst denn du?" kam ich mutig näher
und legte meine Pakete auf den Tisch.
"Das schickt Euch Mutter, Herr Merkenthin, und Ihr möchtet es nicht
übel nehmen, wenn sie diesmal nicht selber käme, es wäre zuviel
im Hause zu tun." Der Alte hatte unterdessen die Stolle ausgewickelt und
die Strickjacke und die Strümpfe mit kritischen Blicken gemustert. Die
Besichtigung schien zu seiner Zufriedenheit ausgefallen zu sein, denn er legte
alles wie zärtlich unter den kleinen Tannenbaum, der auf einer
weißen Serviette auf der Kommode stand, versenkte sich in Betrachtung
seiner Schätze oder hing sonst seinen Gedanken nach; jedenfalls schien er
meine kleine Anwesenheit ganz vergessen zu haben.
Meine Augen hatten sich indessen an den Rauch gewöhnt, und ich ließ
sie nun in dem kleinen Zimmer umherwandern. Die Wand, an der ich lehnte, wurde
fast ganz von einem großen schwarzen Ledersofa ausgefüllt, das mit
seinem eingesunkenem Sitz und seinen breiten Armlehnen gewiss von
Urgroßmutter Zeiten herstammte. Neben mir, auf einer der Lehnen, lag eine
große graue Katze zusammengerollt und schlief. Ich streichelte ihr dickes
Fell, da erhob sie sich langsam, machte einen Buckel und gab mir deutlich zu
verstehen, dass sie noch mehr gestreichelt sein wollte. In demselben
Augenblicke flatterte etwas über mir, und als ich hochsah, kam ein
größerer Vogel und setzte sich auf meine Schulter.
Der alte Christian drehte sich um und brummte: "Magst du Tiere leiden,
kleine Doktorn?" Ich nickte eifrig und stand ganz still, um den kleinen
Gast auf der Schulter nicht zu verscheuchen. Des Alten Stimme wurde jetzt etwas
sanfter: "Ich mag eigentlich keine Vögel im Zimmer; was in den Wald
gehört, soll im Walde bleiben, aber der Bengel will nicht wieder fort,
trotzdem der gebrochene Flügel lange auskuriert ist. Es ist ein Star und
ein kluger Vogel," fügte er hinzu, und ich sah, wie seine Augen
liebevoll nach dem Tierchen hinblickten.
"Verträgt er sich denn mit der Katze?" fragte ich. "O, mein
Peter weiß schon, wieweit er gehen darf," knurrte der Alte,
"und allein lass ich die beiden nicht, einer von ihnen spaziert in die
Küche, wenn ich fortgehe; aber nun setz' dich doch auf das Sofa, du hast
einen weiten Weg gehabt in der Kälte, ich will dir was Warmes zu trinken
holen."
Er verschwand durch die Tür, und ich streichelte abwechselnd den Vogel,
der ruhig auf meiner Schulter blieb, und die Katze, die sich wohlig an meinem
Ärmel rieb. Eine geschnitzte Wanduhr tickte laut, und über mich kam
ein warmes Gefühl von Heimlichkeit und Weihnachtsfreude. Die Tannenzweige,
die hinter dem kleinen Spiegel über der Kommode steckten, und das mit
weißen Lichtern geschmückte Bäumchen verbreiteten einen lieben
Duft, selbst der Tabaksqualm kam mir nun recht gemütlich vor. Christian
kam mit einem Glase Grog aus der Küche; legte einen Pfefferkuchen auf ein
vergoldetes Tellerchen, das er aus der obersten Kommodenschublade nahm, und
reichte mir beides.
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Paula Dehmel 1862 - 1918
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