Weihnachten im deutschen Hause ( 2 )
Ich gehe jedes Jahr zu der
derselben Putzmacherin und sage: "eine Haube für Madame Hummel".
Und die Person sagt: "Zu dienen, Herr Hummel", und die Architektur
steht reisefertig vor mir. Ich gehe ferner jedes Jahr zu demselben Kaufmann und
sage: "ein Kleid für meine Tochter Laura, so und so teuer, ein Taler
Spielraum nach oben und unten", und das Kleid liegt preiswürdig vor
mir. Im Vertrauen, ich habe den Verdacht, dass die Frauen hinter meine Schliche
gekommen sind, und sich die Sachen vorher selbst aussuchen, denn es ist immer
alles sehr nach ihrem Geschmack, während in früheren Jahren
Widersetzlichkeiten stattfand. Jetzt haben sie die Mühe, den Plunder
auszuwählen, und am Abend müssen sie noch heucheln wie die Katzen,
auseinanderfalten und ausprobieren, sich erstaunt stellen, und mein
ausgezeichnetes Geschick loben. Das ist meine einzige Genugtuung bei dem ganzen
Kindervergnügen. Aber sie ist dürftig, Gabriel."
So knarrte misstönend die Prosa des Hausherren, doch die Parkstraße
achtete wenig darauf, und sie wird solchen Sinn immer mit gebührender
Missachtung betrachten, so lange süßer ist für Andere sorgen
als für sich selbst und Freude zu machen seliger als Freudiges zu
empfangen.
Auch für Ilse wurde in diesem Jahr das Fest eine große
Angelegenheit, sie trug wie eine Biene zusammen, und nicht nur für die
Lieben in der Heimat. Denn auch in der Stadt hatten sich viele große und
kleine Kinder an ihr Herz genestelt, von den fünf unmündigen
Raschke's bis zu den kleinen Barfüßlern mit dem Suppentopf. Auch bei
ihr wurden die Sofawinkel unheimlich für den Gatten, für Laura und
den Doktor, wenn diese einmal unerwartet eintraten.
Als der Kammerherr einige Zeit vor dem Feste einen Besuch seines Prinzen bei
dem neuen Rektor schicklich erachtete, fanden die Herren Ilse und Laura in
eifriger Arbeit und den Salon der Frau Rektorin in eine große Marktbude
verwandelt. Auf langen Tischen standen Weihnachtsbäumchen, und
gefüllte Säcke lehnten ihren schweren Leib an die Tischbeine, die
Frauen aber arbeiteten mit Elle und Schere, zerteilten große
Wollzöpfe und wickelten Linnenstücke auseinander, wie Kaufleute. Als
Ilse den Herren entgegentrat und ihre Umgebung entschuldigte, bat der
Kammerherr dringend, sich nicht stören zu lassen. "Wir dürfen
nur hier bleiben, wenn wir das Recht erhalten, uns nützlich zu
machen." Auch der Prinz sagte: "Ich bitte um die Erlaubnis zu helfen,
wenn sie etwas für mich zu tun haben." "Das ist
freundlich," versetzte Ilse, "denn bis zum Abend ist noch Vieles zu
verteilen. Erlauben Ew. Hoheit, dass ich Sie anstelle. Nehmen Sie den Sack mit
Nüssen, Sie, Herr Kammerherr, haben Sie die Güte die Äpfel unter
ihre Obhut zunehmen, du, Felix, erhältst den Pfefferkuchen. Und ich bitte
die Herren, kleine Häufchen zu machen, zu jedem zwanzig Nüsse, sechs
Äpfel, ein Packet Kuchen."
Die Herren gingen mit Feuer an die Arbeit. Der Prinz zählte gewissenhaft
die Nüsse und ärgerte sich, dass sie immer wieder unter einander
fuhren, machte aber die Erfindung, durch zusammengefaltete Papierstreifen die
Portionen beisammen zu halten, die Herren lachten und erzählten, wie sie
sich einst in fremden Lande die deutsche Festfreude verschafft haben. Der Duft
der Fichtennadeln und Äpfel erfüllte die Stube und zog wie eine
Festahnung in die Seelen der Anwesenden.
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Gustav Freytag 1816 - 1895
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