Weihnachten im deutschen Hause ( 3 )
"Dürfen wir die gnädige Frau fragen, wem unsere angestrengte
Tätigkeit zu gut kommt?" sagte der Kammerherr, "ich halte hier
einen ungewöhnlich großen Apfel, durch den ich gern einen Ihrer
Lieblinge bevorzugen möchte. Jedenfalls tun wir, was armen Kindern Freude
machen soll."
"Zuletzt wohl," versetzte Ilse, "aber das geht uns nichts an,
wir geben alles schon heut ihren Müttern. Denn die größte
Freude einer Mutter ist doch ihren Kindern selbst ein zubescheren, das
Christbäumchen zu putzen, und zu arbeiten, was die Kleinen gerade
bedürfen. Diese Freude soll man ihr nicht nehmen, und deshalb wird ihnen
der Stoff unverarbeitet geschenkt. Auch die Weihnachtsbäumchen kaufen sie
am liebsten allein, jede nach ihrem Geschmack; die hier stehen, sind nur
für solche Kinder, denen die Mutter fehlt. Und diese Bäumchen werden
auch von uns ausgeputzt. Heut zum Feierabend wird alles aus dem Haus getragen,
damit die Leutchen zu guter Zeit das ihre erhalten und sich danach
einrichten."
Der Prinz sah auf den Kammerherrn. "würden Sie uns erlauben, "
begann er zögernd, "auch etwas für die Bescherung zu
kaufen?"
"Sehr gern," erwiederte Ilse freudig. "Wenn Hoheit befehlen,
kann unser Diener das sogleich besorgen. Er weiß Bescheid und ist
zuverlässig."
"Ich möchte selbst mit ihm gehen," sagte der Prinz. Der
Kammerherr hörte verwundert auf diesen Einfall seines jungen Herrn, da der
Einfall aber löblich und nicht gegen die Instruktion war, so lächelte
er respektvoll. Gabriel wurde gerufen. Der Prinz ergriff freudig seinen Hut.
"Was sollen wir kaufen?" frug er aufbrechend.
"Kleine Wachsstöcke fehlen uns," versetzte Ilse "dann von
Spielzeug Puppen, für die Knaben Bleisoldaten und für die
Mädchen ein Kochgeschirr, aber alles hübsch handfest und
sparsam." Gabriel verließ mit einem großen Korbe hinter dem
Prinzen das Haus.
"sie haben gehört, was die gnädige Frau befohlen hat",
sagte der Prinz auf der Straße zu Gabriel. "Zuerst die
Wachsstöcke, sie suchen aus, und ich bezahle, wir sollen sparsam
einkaufen, geben Sie Achtung, dass wir nicht betrogen werden." "Das
haben wir nicht zu fürchten, Ew. Hoheit," versetzte Gabriel
tröstend. "Und wenn wir ja einmal einige Pfennige zu viel bezahlen,
das kommt wieder andern Kinder zu gut." Nach einer Stunde kehrte der Prinz
zurück, Gabriel mit hochbeladenem Korb, auch der Prinz trug unter beiden
Armen Puppen und große Tüten mit Naschwerk. Als der junge Herr so
belastet eintrat, mit geröteten Wangen, selbst glücklich wie ein
Kind, sah er so gut und liebenswert aus, dass sich alle über ihn freuten.
Emsig packte er seine Schätze vor der Frau Professorin aus und
schüttete zuletzt die Zuckertüten auf den Tisch. Sein Befangenheit
war verschwunden, er spielte in kindlichem Behagen mit den hübschen
Dingen, wies den Andern die kunstvolle Arbeit an Marzipanpflaumen, bat Laura
einen Tempelherrn aus Zucker für sich zu behalten und wirtschaftete
zierlich und behend um den Tisch, bis die Andern ihm bewundernd zusahen und in
seine Kinderscherze einstimmten.
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Gustav Freytag 1816 - 1895
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