Die heilige Weihnachtszeit ( 2 )
In der Thomasnacht werfen sie ihre Schuhe
nach der Kammertür; bleiben die Schuhe so liegen, dass die Spitzen in die
Kammer weisen, so kommt im nächsten Jahr ein Bräutigam; stehen die
Schuhspitzen gegen die Tür, so kann auch einer kommen, geht aber wieder
fort. In der Christnacht tragen die Jungfrauen vom Holzgelass einen Arm voll
Scheiter ins Haus; sind die Scheiter paarweise, heißt das: in gerader
Zahl, so wird im nächsten Jahr geheiratet. In der Neujahrsnacht endlich
soll beim Bleigießen ein Figürlein die Hoffnung bestätigen. Das
liebe Dirndl im Hochreithhofe! die Schuhe versprachen ihn, die Scheiter
versprachen ihn und das Blei ließ die günstige Auslegung zu. Er kam,
sie saß ihm auf und - blieb sitzen. Jetzt weiß man nicht, sind die
Männer nichts nutz, oder die Gebräuche!
Das heilige Schauern, das am Christabend durch die Welt geht, empfindet auch
der Bauer. Auch ihm wird warm. Ist's doch als ob an diesem Tage die
Naturgesetze andere geworden wären. Fast bangt man um das Gleichgewicht
der Welt, da so plötzlich alles Freude ist und überall die Charitas
herrscht.
Zum Glück ist der Tag bald vorüber, dem großen Feste ducken
sich St. Stefan und Johannes an; der erstere will als Erzmärtyrer an der
Weihnachtsfeier Anteil haben, der letztere beruft sich auf seine besondere
Freundschaft mit dem Heiland; der erstere macht sich bei den Bauern durch sein
Stefaniewasser wichtig, der letztere weiß sich mit dem Johanneswein
einzuschmeicheln - aber zu dem eigentlichen Weihnachtsgefolge gehört
keiner von beiden. Erst der Unschuldige - Kindertag ist wieder echt; er bringt
in den süßen Weihnachtsfrieden die schreckbare Kunde von dem
Kindermassenmord des Herodes. Das Volk feiert dieses Gedächtnis durch
Rutenstreiche, mit denen eins das Andere am Morgen des achtundzwanzigsten Tages
im Dezember unter den Worten: "Frisch und gesund!" aus dem Bette
peitscht.
Nach den unschuldigen Kindern kommt ein heiliger Thomas, geborener Londoner,
ein Bischof zu Kandelberg, der sich so wacker und unbiegsam den Staatsgesetzen
seines Vaterlandes widersetzt hatte, das ihn die Kirche heilig gesprochen.
Unsere Bauern nenne den Mann "Thoma Windfeier" und sagen, wenn sie an
diesem Tage nicht arbeiten, so werden sie im kommenden Jahre von kalten Winden
und Stürmen verschont bleiben. Sie machen daraus den fünften
Weihnachtsfeiertag.
Als sechster folgt einer aus dem alten Testament - ein berühmter Poet und
Saitenspieler - der liebenswürdige König David. Der alte Herr hat in
der Tat auch ein Recht, Weihnachtsbesuch zu machen bei dem Kinde, das ja seinem
- dem Geschlechte Davids entstammt.
Heiligen - Legenden und antisemitische Kalender ignorieren den Alten und
protegieren an diesem Tage die heilige Witwe Melania. Von dieser Witwe steht's
in der Hauspostille des Bauers gar schon zu lesen: sie war eine reiche
Römerin, aus Liebe zu Gott etwas störrig gegen ihren Mann, bis sie
dann beide ins Kloster gingen, wo der Gatte bald starb, Melania sich jedoch den
göttlichen Wissenschaften hingab und mit großer Beredsamkeit der
Frauen gegen die Irrlehren kämpfte. Vor so einer muss der jüdische
Harfenist freilich zurück stehen.
Endlich ist Silvester da. Dieser Mann war bekanntlich römischer Papst; er
hatte stark mit den Juden zu kämpfen. Ich erinnere mich an ein
Geschichtlein.
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Peter Rosegger 1843 - 1918
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