Die heilige Weihnachtszeit ( 4 )
Hierauf stellten die Heiden Wächter
auf einen Berg, den Stern zu erspähen, und diese wachten anderthalb
tausend Jahre. Aber in einer Nacht, da von der Wüste der warme Hauch
heranwehte und aus der Ferne das Meer rauschte, schliefen sie ein. Da ging der
Stern auf. Das kündeten sie den Ländern. Und hierauf machten sich
drei Könige auf den Weg, den Stern zu suchen. Es war nächtig und der
Stern zuckte vor ihnen über den Erdeboden dahin, und weil sie Weise waren,
so gingen sie dem neuen, unbekannten Lichte nach, Tage und Tage lang; es
gesellten sich ihnen auch andere Könige und Herren bei mit großem
Gefolge, bis sie in die Stadt Jerusalem kamen. In dieser Stadt sprachen sie
beim Herodes vor, fragend, wo der große König sei, auf den der Stern
deute? Der Judenkönig heehrte die Gäste mit Pomp und antwortete: der
große König sei er selber und einen andern kenne er nicht in diesem
Lande. Sie möchten aber suchen, fänden sie einen, der
größer wäre als er, so sollten sie es ihn wissen lassen, dann
sei er der erste, der sich neige. - Sie wanderten weiter. Der Stern glühte
über die Auen dahin und stand still über einem Dache, das eine
reisende Handwerksfamilie barg. Und ein Kindlein war da in der
größten Armut und Bedürfnislosigkeit, und hatte helle,
freundliche Augen. Die Könige, da sie müde waren und nicht mehr
hoffen konnten, den Gesuchten zu finden, legten ihre besten Gaben dem Kinde
hin. Aber die armen Leute sagten: "Wozu brauchen wir euer Gold, euren
Weihrauch, Eure Myrrhen? Die Erde ist unser Bett, der Himmel ist unser Hut.
Dieses Kind, welches so hablos ist, dass wir es auf das Heu des Rindes legen
mussten, ist nicht gekommen zu empfangen, es ist gekommen zu geben."
Da flüsterten die Könige zueinander: "Wir haben ihn gefunden.
Lasst es uns eilig dem Herrn Bruder melden!" Einer von ihnen, der schwarz
an Farbe war gab die Meinung ab, Herodes scheine nicht dazu angetan, sich in
seinem Lande vor einem andern zu beugen. Es würde klug sein, ihm das Kind
nicht zu verraten. Sie kehrten auf anderem Wege in ihre Länder
zurück. - Herodes hatte trotzdem erfahren, dass sich unter den kleinen
Kindern zu Bethlehem eines befinde, das nach der Weissagung der Juden
größter König werden würde, und da es ihm nicht gelang,
dasselbe herauszufinden, so ließ er in und um Bethlehem alle Knaben
ermorden. -
Schlaft ihr? Oder weint ihr? Oder belächelt ihr den Erzähler? Ach,
ihr habt die Botschaft schon allzu oft und in allzu absichtlicher Weise
gehört, um die göttliche Lieblichkeit und wilde Größe, die
darinnen liegt, noch zu empfinden! Von den drei wirklichen Weihnachtsfesten -
der Geburt, der Beschneidung und der Erscheinung der Könige - birgt das
letztere den grandiosesten Inhalt, die unbegreiflichsten Wunder. Warum kamen
die mächtigsten Herren und knieten vor dem armen Kinde? Weil sie Weise
waren. als ob sie wussten, dass sich im Wohlleben und Prunk kein Gottmensch
entwickeln kann, dass die Armut und die Einsamkeit und die Verlassenheit, und
alles Liebe und alles Leid des Volkes, dazu gehört einen groß
angelegten Menschen zu einem Heros und Erlöser zu machen.
Wenn ich wieder einmal auf der Tenne stehen sollte und den Korngaben predigen,
wie einst als zehn - bis vierzehnjähriger Junge, da ich den
Strohköpfen die Weihnachtspredigten hielt, bis mir unser Knecht Markus
einmal im Vertrauen mitteilte, ich sei der schönste Pfaff für die
Hauskapelle in einem Narrenturm - wenn ich wieder einmal so vor
Strohköpfen predigen sollte (kein Mensch kann's wissen, was ihm
bevorsteht) ich wollte die Geschichte von den drei heiligen Königen und
ihrem Stern so verwegen ausspinnen, wie ich es an dieser Stelle nicht tun darf.
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Peter Rosegger 1843 - 1918
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