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  Die Geschichte von der Frau Holle ( 2 )
  Die Frau Holle hatte auf dem Böllstein kein Haus, in dem sie wohnte, und wer am hellen Tage über den Berg ging, der merkte nichts von ihr, in lauen Sommernächten aber hörte man rings zwischen den Bäumen ein Kichern und Zischeln und Lachen, dass es den Leuten ganz sonderbar zu Mute ward und sie lieber einen weiten Umweg machten, als über den Berg gingen. Im Winter, wenn die Tage am kürzesten waren, da sah man auch manchmal ein helles Feuer auf dem Böllstein glänzen, aber nur von Weitem, denn da lag der Schnee ellenhoch und es hätte Keiner sich hinauf getraut, wie auch Keiner den Pfad kannte, der zwischen den Felsen durch unter die Erde und gerade hinein in Frau Holles goldnen Saal führte, in dem sie wohnte. Der Saal war wunderschön; er hatte goldne Wände und eine silberne Decke, die von Säulen aus blauen Steinen getragen ward. Da drinnen saß die Frau Holle, umgeben von einer ganzen Schar kleiner Englein, die rosenrote Flügel an den Schultern trugen und statt der Kleider in ihren langen, blonden Locken gehüllt waren, welche ihnen bis auf die kleinen Füße herabfielen. Mit den Engelein arbeitete die fleißige Frau Holle Tag und Nacht; sie spannen, strickten und webten, dass es eine Lust war. Wenn aber der Frühling kam, dann stieg Frau Holle herauf auf die Erde, zog ein langes, grünes Kleid an, setzte einen Kranz von Kornblumen und Ähren auf und fuhr in einem goldnen Wagen, den zwei schneeweiße Kühe zogen, über das ganze weite Land, das sie von ihrer Höhe aus übersehen konnte. Wo sie vorüber kam, streute sie Samenkörner aller Art aus und gleich darauf prangte die Erde in den verschiedenartigsten Farben. Hier breitete eine grüne Wiese ihren Blumenteppich aus, dort wogte ein reifendes Kornfeld, daneben lag wie ein blaues Tuch ein Acker mit blühendem Flachse ausgespannt, und gelbe Rapsfelder durchschnitten gleich langen Bändern die Flur nach allen Richtungen. Das Alles ließ die gute Frau Holle wachsen, aber nur auf den Feldern der fleißigen Menschen, auf denen der Faulen machte sie Disteln und Unkraut emporschießen. Wenn dann die Erde so schön geschmückt war, fuhr sie wieder heim in ihren goldnen Saal und nur an milden Sommerabenden, wenn der Mond schien und die Sterne flimmerten, stieg sie mit den Englein wieder herauf und da tanzten sie auf dem dichten Heidekraut, das den Böllstein bedeckt, den Ringelreihen, wozu alle Vögel im Walde musizierten. So trieben sie es den ganzen Sommer und Herbst über, aber wenn die Blätter abfielen und die Nordwinde sausten, da ward es gewaltig kalt auf dem Böllstein, so dass man sich des Nachts lieber in ein warmes Bett steckte, als draußen herumtanzte. Der Frau Holle ging es auch so und sie befahl den Engelein ihr Federbett zurecht zu machen und tüchtig aufzuschütteln. Wenn die Engelein das hörten, waren sie sehr vergnügt, es gab für sie keine größere Lust, als Frau Holles Bett zurecht zu machen. Sie schüttelten und rüttelten an den Federn und Eins warf unter lautem Lachen das Andere hinein, so dass die Flocken bis über den Rhein und den Main hinüber flogen und stoben. Da sagten die Leute drunten im Tal und in der Ebene: "Es wird Winter, die Frau Holle schüttelt ihr Bettchen aus!" Und sie holten die Pelzkappen und Pelzröcke hervor und steckten sich tief hinein. die Frau Holle hatte aber auch einen dicken, warmen Pelzrock und eine Pelzmütze, die zog sie nun statt des schönen Kranzes über die Ohren. Für die Engel waren kleine Pelzröcke und Pelzkappen da und wenn es ein schöner Winterabend war, zogen sie von der Böllsteinhöhe aus und folgten der Frau Holle, wohin diese sie führte.
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  Luise Büchner 1821 - 1877
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