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  Die Geschichte von der Frau Holle ( 3 )
  Die Frau Holle war eine überaus fleißige und reinliche Frau und hasste nichts so sehr, als den Schmutz und die Faulheit. So wie sie im Sommer die faulen Landwirte strafte, machte sie es im Winter mit den schmutzigen und faulen Frauen und Mädchen. Darum kam sie des Abends in die großen Stuben, wo die Mütter und Töchter zusammen saßen und spannen, strickten und nähten. Sie setzte sich zu ihnen, arbeitete mit ihnen und gab genau Acht, wer seine Sache gut machte. Wenn ein Kind ein schönes, reines Strick- und Nähzeug hatte, fand es am anderen Morgen in seinem Körbchen eine hübsche, neue Puppe, oder ein Bilderbuch, oder einen großen, braunen Herlebkuchen. - Den Strümpfen aber, die überall Jahresringe von Schmutz zeigten und den Hemden und Schnupftüchern, die genäht waren, als ob sie von Sackleinen wären, denen war die Frau Holle todfeind. Da kamen die Engelein in der Nacht, fielen mit langen, feinen Scheren über die schlechte Arbeit her und zerschnitten sie in tausend kleine Stückchen, und wo ein unordentlicher Spinnrocken stand, den zerrupften und zerzupften sie so gründlich, dass auf der Welt nichts mehr damit anzufangen war. Kamen dann am andern Morgen die unordentlichen Mädchen und Kinder an ihre Arbeit, so fanden sie die Bescherung, aber keine Christbescherung, keine Puppe, kein Bilderbuch, sondern nur schmutzige Fädchen und Läppchen, und die Schande und den Spott obendrein.
  Den schmutzigen Mama's aber ging es am allerschlimmsten; da brachten die Engelein in der Nacht lange Besen mit und fegten den Schmutz aus den Ecken hervor, wo man ihn hineingesteckt hatte. Sie kehrten alles an die Türschwelle, das gab oft einen Berg fast so hoch wie der Böllstein, und wenn die Leute am Morgen zur Türe hinaus wollten, waren sie in ihrem eignen Schmutz gefangen und mussten ihn erst hinwegschaffen, ehe sie wieder frei herumgehen konnten. Auf diese Weise ward es wenigstens einmal im Jahre sauber im Hause und es wäre ein rechtes Glück, wenn die Engelein jetzt auch noch manchmal zum Fegen kämen. Weil es aber jetzt so ungeheuer viele Bücher gibt, in denen alles, was die Frauen und Mädchen tun sollen, geschrieben steht, denken sie, sie könnten sich die Mühe sparen und brauchten kein Beispiel mehr zu geben. Die Bücher tun es aber nicht allein, das sieht man deutlich alle Tage und die Zeiten waren oft besser, wo die Frau Holle das schönste Beispiel für Alt und Jung gewesen. Wenn die fleißigen Mama's ihre Töchterchen recht loben wollten, dann wussten sie nichts Besseres zu sagen, als wie: " Du machst es fast so schön, als die liebe Frau Holle."
  Die gute Frau saß oft halbe Nächte lang bei den fleißigen Leuten, war sie aber müde und sehnte sie sich nach Hause in ihr weiches, warmes Bettchen, dann stand sie auf, öffnete das Fenster und warf das Klingel Garn, das sie gesponnen hatte, hinaus, indem sie das eine Ende festhielt. Dann rief sie freundlich: "Gute Nacht, ihr lieben Leute!" setzte sich auf den Faden und ritt auf demselben so schnell wie der Wind hinauf nach dem Odenwald und grade in ihren goldenen Saal hinein. Da merkten es erst die Leute, wen sie zum Besuch gehabt und waren nun noch einmal so fleißig.
  So lebte die gute Frau Holle viele, viele, viele Jahre lang, da fühlte sie auf einmal, dass sie ein wenig alt und schwach werde und nicht mehr so recht fort könne. Im Frühling und im warmen Sonnenschein über Land zu fahren, das ging noch an, aber die Wintergeschäfte wollten ihr gar nicht mehr behagen.
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  Luise Büchner 1821 - 1877
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