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  Erste Weihnachten in der Waldheimat ( 5 )
  Und aus des Vaters Gefäß qualmte der Weihrauch und erfüllte schon die ganze Stube, so das es war wie ein zarter Schleier, der sich über das brennende Bäumchen legte. Die Mutter suchte mit den Augen in der Stube herum: "Wo ist Peter?"
  "Ah," sagte der Vater, "jetzt schon, jetzt rait ich mir`s schon, wer das getan hat."
  Da erachtete ich es an der Zeit, aus dem Ofenwinkel hervorzutreten. Den kleinen Nickerl, der immer noch sprachlos und unbeweglich war, nahm ich an dem kühlen Händchen und führte ihn vor den Tisch. Fast sträubte er sich. Aber ich sagte - selber tief feierlich gestimmt - zu ihm: "Tu dich nicht fürchten, Brüderl. Schau, das lieb Christkindl hat dir einen Christbaum gebracht. Der ist dein."
  Und da hub der Kleine an zu wiehern vor Freude und Rührung, und die Hände hielt er gefaltet wie in der Kirche.
  Öfter als vierzigmal seither hab ich den Christbaum erlebt, mit mächtigen Glanz, mit reichen Gaben und freudigen Jubels unter Großen und Kleinen. Aber eine größere Freude habe ich noch nicht gesehen, als jene meines kleinen Brüderleins Nickerl - dem es so plötzlich und wundersam vor Augen trat - ein Zeichen dessen, der da vom Himmel kam. Solange die Lichtlein brannten, war es wie ein Gottesdienst, während der Mutter auf dem Herde richtig ein paar Krapfen verschmorten. Erst als die Lichtlein verloschen, eins ums andere, bis auch das letzte mit ein paar knisternden Flackern dahin war, huben die Leute an zu reden und einer brachte, weil es ja finster geworden war, von der Küche ein rötliches Spanlicht herein.
  "Was denn darunter liegt!" sagte der Vater und zeigte auf den Wecken. "Nickerl, mich deucht, das gehört auch dein."
  Der schöne, bräunliche Wecken, mit Weinberln gespickt - weil es Weihnachtsgebäck war - , wurde dem Kleinen in die Hand gegeben. Er hielt ihn ganz hilflos vor sich. Die Freude wurde nicht größer, weil sie nicht mehr größer werden konnte. Der Christbaum allein hatte sein ganzes Herzlein ausgefüllt, sowie er auch unsere Kinder ausfüllen würde, wenn der himmlische Lichterbusch nicht so sehr mit irdischen Tand verweltlicht würde.
  Nachher beim Nachtmahl wurden allerhand Meinungen laut.
  "´s Krippel ist eh da oben," entgegnete der Vater und wies gegen den Wandwinkel, wo neben mehreren Heiligenbildern mit kleinen Figuren auch die Darstellung der Geburt Christ war.
  "`s kommt halt eine neue Mod auf," wusste der Jungen aus dem Tal zu sagen. "Der lutherisch Verwalter in Mitterdorf hat in ganz Mürzthal den Christbaum aufgebracht. Aber da sind wenigstens gute Sachen darunter, und dass jeder was kriegt.
  "Aha, wenn du Geschenke kriegst," sagte ich gereizt, "da magst auch einen lutherischen Christbaum, gelt!"
  "Still seids!" gebot der Vater, der solche Reden nie leiden konnte, und heut am wenigsten. Also ist die Weihnachtsstimmung schön gewahrt geblieben. Und während wir gekochte Rüben und Sterz aßen, saß der Nickerl beim Christbaum und aß ein Stückchen Wecken, das ihm die Mutter herabgeschnitten hatte. Sich und dem Vater und mir, so war sein Wille, sollte sie auch ein Stück herabschneiden; aber mir war der lang entbehrte Sterz lieber. So zehrte der Kleine noch am Christtag und am Stephanitag und am Johannstage an seinem Wecken.
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  Paula Dehmel 1862 - 1918
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