Im Schnee ( 7 )
Nach einiger Zeit kamen der biedere Krischan und der brave Johann, und nachdem
sie ihrer Verwunderung Herr geworden, als sie die beiden Parteien so friedlich
und einig bei einander fanden, da meldeten sie, dass in einer Stunde etwa die
Schlitten vorfahren würden, da dann die Arbeit der Säuberung des
Hohlweges beendet sein würde. "Einundtwintig Kierls hebben wi dor bi
krägen," sagte Krischan, dat schafft! Un dat sniet nich mihr un is
ganz stiernklor un barborschen kolt!" Als die Wirtin zufällig
eintrat, da rief Herr Dieterling vergnügt: "Gaud, dat Sei rinkamen,
Frau Nägendank, nu gahn S`mal bi un nehmen S`wat Ehr gröttst` Pott
is, und den`n maken S` mal vull Krock von Rum, äwer nich tau stark von
Water, un`n poor Gläs`bi, un dat geben S` Krischan`n mal mit. Un Krischan,
du seggst die Lühr, sei süllen Herrn Maifeldern sin Gesundheit
drinken!"
"Un Frau Nägendank," rief dann Herr Maifeld, "denn nehmen
S` mal glik ehren annern gröttsten Pott und maken S`em vull Krock von
Arak, äwer ok nich tau stark von water, un`n poor gläs`bi, un dat
geben S`minen Johann mit. Un du, Johann, seggst die Lühr, sei süllen
Herrn Dieterling leben laten!"
Die beiden Kutscher grinsten und versprachen diese Aufträge zur
Zufriedenheit zu erfüllen.
Nach einer Stunde etwa klingelten die mit frischen Pferden bespannten Schlitten
vor der Haustür, die Versöhnung und die Verlobten hüllten sich
in Mäntel und Pelze, stiegen in ihre Fußsäcke und fuhren hinaus
in die kalte, sternklare Winternacht. Als sie an das Ende des Hohlweges kamen,
da standen die Wildingshäger Leute auf der einen, die Braunsgerger auf der
anderen Seite des Ufers, und die Frau Wirtin musste wohl zu den Kutschern
einiges geschwatzt haben, denn die Männer präsentierten ihre
Schaufeln und brüllten, so laut sie konnten: "Dei jung` Herr sall
leben, un dat Frölen ok dorneben, vier Faut" , hoch!"
"Vier Faut", sagten sie, denn also übersetzen sie Vivat in ihr
geliebtes Plattdeutsch. Aber die, denen dieses Hoch galt, lebten ja viel
höher in dem seligen Reiche der Hoffnung und Erwartung holden
Glückes. Und ob sie nun auch bald getrennt dahinfuhren durch die blaue,
funkelnde Winternacht und den silberglänzenden Schnee, sie trugen in ihren
Herzen den jungen Frühlingsmorgen mit rosigem Gewölk und dem Gesange
jauchzender Lerchen.
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Heinrich Seidel 1842 - 1906
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