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  Friede auf Erden ( 4 )
  Derweil hatte der Nachtwächter mit der Klinge der Hellebarde die Tür des Pfarrhauses aufgebrochen. Seinem Klopfen ward nicht geöffnet worden. Man kannte dies Pochen zur Nachtzeit. Drinnen in der Stube lag der Pfarrer auf den knien und bat Gott um den Gnadenstoß. Da rief des Nachtwächters bekannte Stimme in die Stube hinein: "Friede!" Der Pfarrer sah mit stieren Augen hin, wie wenn er nichts begriffe. "Meine Mutter will sterben. Gebt ihr das Nachtmahl. Fried' ist im Land!" Da ward dem alten Manne das Herz überwältigt. Er brach in seinem stimmlosen Flüsterton in Schluchzen aus. Es klang zum Erbarmen.
  Der Nachtwächter aber ging hinüber zum Schulmeister. Mit dem Knopf der Hellebarde stieß er an den Laden: "Ich bin's, macht auf!"
  "Wo brennt's?" rief der Schulmeister und öffnete den Laden.
  Da legte der Nachtwächter seine Arme dem Mann um den Kopf, neigte das Antlitz ihm an die Wange und flüsterte ihm ein Wort ins Ohr. Der Schulmeister zuckte zusammen, dann weinten beide Männer Brust an Brust. "Ich muss läuten, lass mich los", sagte endlich der Schulmeister. Aber sein Geselle war seiner nicht mehr nächtig. Gewaltsam machte sich der Greis frei, weckte seine Söhne und eilte zur Kirche hinauf, während der Nachtwächter sich wieder zum Pfarrhaus wandte.
  Seit vierzehn Jahren waren die Glocken stumm. Zum letzten Mal hatten sie geläutet zum Weihnachtsfest nach der Nördlinger Schlacht. Dann schwiegen sie, dass nicht die Mordbuben herbei gelockt würden.
  Und jetzt und jetzt schlugen sie wieder zusammen!
  "Was macht so?" fragten die Kinder.
  "Es läutet", sagten die Alten. "Steht auf, Kinder, `s ist Fried' im Land!"
  "Wer ist der Fried'?" fragten die Kinder, "nimmt uns der Fried' die Geiß wer, und schlagt er uns den Vater blutig?"
  "Schweigt, Kinder, und zieht euch an und betet!"
  "Tut der Fried' so saufen?" fragten die Kinder furchtsam. Aber die Mutter gab ihnen fürder keine Antwort. Da fingen sie an zu weinen und verkrochen sich, ein jedes in sein bekanntes Verstecklein, und lauschten angstvoll dem fremden Getön.
  Übel klangen die Glocken. Die große war zersprungen. Gleich am Anfang des Krieges hatten die Mansfelder sie und die mittlere, die nicht mehr da war, zum Turm hinab geworfen und mitgeschleppt. Die große fand man später im Wald. Aber auch so klang es den Alten wie Himmelgeläute.
  Und doch war keine rechte Freude. Das Andenken an das erlittene Elend stand grausig auf. Jeder gedachte seines Verlustes, und die vielen Wunden der Seelen bluteten alle zusammen. Starr sahen sich die Leute an, verstört standen sie auf der Gasse umher. Aber niemand zweifelte an der Wahrheit der Botschaft.
  Von zwei Männern gestützt, kam der alte Pfarrer die Straße herab. Die Lore geht zum Nachtmahl, sagten sich die Leute. Viele schlossen sich an. Der Zug ging nach dem letzten Haus.
  Der Pfarrer trat mit dem Nachtwächter und dem ältesten Sohn des Schulmeisters in die Stube der Sterbenden. Ein Span wurde angezündet und an der Wand befestigt.
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  Adolf Schmitthenner 1854 - 1907
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