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  Friede auf Erden ( 3 )
  Oben am Eingang zur Schlucht stand der Nachtwächter und spähte hinab. Aber der Blick ging über den Knäuel hinweg, und der Kampf war lautlos; der sausende Odem der Ringenden verwehte, ehe der Lufthauch von dort heraufkam. In dem Augenblick, als der Vater sich umwandte dem Dörflein zu, tauchte aus der Tiefe der Schlucht ein irrer Blick in das blinkende Sternenlicht, und mit Himmelsgewalt schlug wie ein siegreicher Blitzstrahl ein Seelenschrei in die Unendlichkeit: "Herr Gott, ich muss der Altmutter zum Nachtmahl helfen."
  Der Nachtwächter war langsam hinaufgestiegen auf den Kirchhofhügel. Man sah dort am weitesten umher. Er spähte in die schneelose Landschaft hinaus, sein Blick weilte ein wenig bei den dunklen Tannen, die das Wolfsloch zudeckten. Dann ging der Mann langsam über den hellen Friedhof. An einem großen Grabhügel stand er stille. Hier lagen siebzehn, die auf zwei Tage an der Pest gestorben waren. Darunter auch sein Weib und zwei Mägdlein. Ein drittes, die Älteste, hatte das Kriegsvolk mitgeschleppt. Sie war nimmer heimgekommen.
  Nimmer heimgekommen! Da schnürte es ihm das Herz zu. Er dachte an seinen Buben. Aber wie er nun, um von neuem zu spähen und zu lauschen, das Antlitz hob, leuchteten ihn die Sterne so mild und tröstlich an, dass ihm die Augen feucht wurden. Und mit einem Male fiel's ihm ein: Heute ist der Heiland geboren. Er schaute nach dem Stand der Gestirne. Es war um die halbe Nacht. Er nahm sein Horn und blies die zwölfte Stunde. Dann schritt er den Hügel hinab. Als er von der sternhellen Höhe in die finstere Dorfgasse getreten war, hielt er stille und hub mit lauter Stimme zu singen an:
 
  "Vom Himmel hoch da komm' ich her,
  ich bring' euch gute, neue Mär,
  der guten Mär bring' ich so viel,
  davon ich singen und sagen will."
 
  Er wollte gerade weiterfahren: Euch ist ein Kindlein heut geborn, da sah er eine hohe Gestalt die Dorfgasse heraufkommen. So hoch gewachsen ist nur einer, jauchzte sein Herz, mein Bub! Mit raschen Schritten ging er ihm entgegen. Der Bursche kam langsam, er war barhäuptig, die Arme über der Brust gefaltet. Im Schatten einer Scheune stand er still. Halb freudig, halb verwundert trat der Vater ihm nahe. Aber ehe er fragen mochte, rief ihm der Sohn mit leiser, fremdartiger Stimme: "Vater, holt den Pfarrer, die Altmutter kann zum Nachtmahl." Und flüsternd fügte er hinzu: " `s ist Friede!"
  "Friede!" schrie der Mann und taumelte zurück. "Friede!" wiederholte er, und die Tränen stürztem ihm aus den Augen, und er zitterte wie im Fieberschauer. Eine Weile stand er in sich versunken und murmelte vor sich hin immer nur das eine Wort: "Friede!" Dann raffte er sich auf und ging mit großen Schritten dem Pfarrhause zu. Des Sohnes hatte er vergessen.
  Der ging langsam zurück. Oft blieb er stehen und presste die Hände auf die Brust. Aber nach kurzer Weile ging er weiter, vorbei am letzten Hause, wo die sterbende Großmutter lag. Zum Dorf hinaus dem Wolfsloch zu schleppte er sich. Was trieb ihn an den grauenvollen Ort? Wollte er dem erwürgten Feinde noch einmal ins verglaste, bluttriefende Auge schauen?
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  Adolf Schmitthenner 1854 - 1907
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