Weihnachten.mobi

  Das Christkindlein ( 2 )
  Er hält seinen Christtag im Himmel, sagte ein Bauersmann auf dem Heimweg vom Gottesacker zu der Pfarrerin und ihrem Häuflein Kinder, um ihnen einen Trost zu geben, es war ein gottesfürchtiger, lieber Herr! Gott tröste ihn! - Er wird leuchten, wie des Himmels Glanz, sagte der alte Präzeptor, denn er hat viele zur Gerechtigkeit gewiesen.
  `s ist ihm wohl, sagte eine Nachbarsfrau, aber der Pfarrerin und ihren Kinder war`s nicht wohl, und dem kleinen Andres, obwohl er nicht zu der Pfarrersfamilie gehörte, und dem Vetter Weigand in Michelstadt - auch nicht, als er die Todesnachricht empfangen hatte.
  Der Andres nämlich war voriges Jahr um diese Zeit auf einer Bettelfahrt mit seiner Mutter ins Dorf gekommen, und seine Mutter war krank und im Hirtenhause gestorben gerade am heiligen Abend, und als ein paar Stunden hernach im Pfarrhause die Christbescherung anging, wartete die Pfarrerin voller Neugierde auf ihr "Christkindlein", - denn der selige Pfarrer hatte ihr was ganz Besonderes versprochen. Und als nun der Pfarrer und die Pfarrerin und der alte Präzeptor und die Kinder und der Knecht und die Magd gesungen hatten: Vom Himmel hoch da komm ich her! Und zur Türe der Weihnachtsbaum mit den Honigkuchen und Äpfeln und vergoldeten Nüssen hereingebracht wurde, kam hinter dem Weihnachtsbaum der kleine Andres daher, und der Pfarrer nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu seiner Ehehälfte und sagte: Das ist dein Christkindlein! Und als die Pfarrerin einen Schrecken bekommen und große Augen machen wollte, sagte er: Wir haben zu lange schon gebetet: Komm, Herr Jesu, sei unser Gast, um, wenn er kommen wollte, ihm die Türe zu weisen, und heute würden wir es wohl am allerwenigsten tun; hier aber kommt er, denn er spricht: Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf! -
  Darauf gab sich die Pfarrerin zufrieden, wusch, säuberte und kleidete den kleinen Andres, und am Tische, wo die acht eigenen Kinder saßen, war gerade noch ein Platz für das neunte übrig, das Christkindlein, und manch frommes, gutes Wort fiel auch noch ab für das verwahrloste, hergelaufene Bettelbübchen, und so war das Kind im Hause geblieben, und war ihm wohl gewesen.
  Aber jetzt? - Jetzt war der gute Pfarrer tot, und seine ganze Hinterlassenschaft waren gewesen viele große Bücher und viele kleine Kinder, und der Schwiegervater hatte gemeint, seiner Tochter, der Pfarrerin, und ihrer Kinder wolle er sich wohl nach Kräften annehmen, das fremde Kind aber müsse nun anderwärts nach barmherzigen Menschen suchen, und auf den Weg könne er ihm nichts mitgeben, als ein "helf dir Gott!" Und im Grund wär`s eigentlich besser gewesen, wenn der Pfarrer schon damals mit dem Kind es so gehalten, als dessen Mutter gestorben, da wäre es doch nicht der guten Tage gewohnt worden und müsste nicht erst wieder lernen, Bettelbrot zu essen, - denn das sei leichter vergessen als wieder gelernt. - Der Andres hatte den Bescheid mit angehört, als sie seinen Pflegevater eben aufs Stroh gelegt hatten und der Schwiegervater gekommen war, die Hinterbliebenen zu trösten, und darum war`s ihm nicht wohl, sondern gar eng und weh und weich ums Herz.
  Der Vetter Weigand in Michelstadt war auch sehr traurig, aber aus einem andern Grund. Am heiligen Abend vor dem Christtag des verflossenen Jahres hatte er von dem seligen Pfarrer Gerner einen schönen Brief bekommen, und als er jetzt die Todesnachricht erhielt, suchte er den Brief hervor und las ihn wieder. Er lautete:
________________
weiter - 1 2 3 4 5 6
 
  Karl Heinrich Caspari 1815 - 1861
________________
zurück

Weihnachten.mobiWeihnachtsmärchen
Weihnachtsgeschic...
Weihnachtsgedichte
Weihnachtslieder

Weihnachtssprüche
Weihnachtsgrüße

Mobi - Seiten

Weihnachten.mobi ist eine Textsammlung. Aktueller Seitenbereich: Weihnachtsgeschichte - Das Christkindlein

Impressum
________________
copyright by Camo & Pfeiffer