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  Der Schnee ( 2 )
  Traurig blickten Bäume und Sträucher und der Rasenplatz und die Zaunpfähle zum Himmel hinauf; da war es ganz grau.
  "Es ist schon das Klügste, wir schlafen ein", sagte der Rasen. "Zu sehen bekommen wir ja doch nichts von all den Herrlichkeiten; es ist ja auch schon ganz dunkel geworden." Die anderen dachten das auch, und bald darauf war es im ganzen Garten mäuschenstill. - Alles schlief.
  Aber was war das, das plötzlich oben vom Himmel herunter kam? Lauter kleine weiße Flöckchen, - Schneeflocken waren es. Was wollten sie wohl? Warum kamen sie herunter auf die Erde? Und so leise kamen sie , so leise, dass man sie gar nicht hörte! Und nur ganz sachte sprachen sie miteinander.
  "Wie kalt das ist", flüsterten die einen; "es ist nur gut, dass uns Mutter Wolke unsere weißen Sternmäntelchen angezogen hat." Sie waren sehr stolz auf ihre schönen weißen Sternmäntel, und die kleinsten von ihnen tanzten in der Luft herum vor lauter Vergnügen.
  Ein Paar ganz große Flocken waren auch dabei, aber sie flogen schön langsam und vernünftig ihres Weges daher und hielten auch die andern zur Ordnung an.
  "Nun macht eure Sache gut", sagten sie. "Und dass ihr nichts vergesst! Und dass ihr schön leise macht, damit niemand im Garten aufwacht, sonst ist`s mit der Überraschung vorbei."
  Die Schneeflocken nickten stumm. Nun waren die ersten unten im Garten angelangt. Nichts rührte und regte sich darin, alles schlief. Das war den Schneeflocken gerade recht, denn sie hatten eine große Überraschung vor. Leise wanderten sie zu den schlafenden Sträuchern und zu den Bäumen hin und schmückten sie fein zierlich aus. Kein Zweiglein, auch nicht das allerkleinste, wurde vergessen; es sah aus, als wäre alles in Zucker getaucht. Und wie flink die kleinen Schneeflocken bei ihrer Arbeit waren und wie leise sie sie taten. Es war sehr gut, dass es so viele Schneeflocken waren; denn es gab eine Menge zu tun. Das Dach der Laube sollte einen Mantelkragen bekommen, so wie es sich einen gewünscht hatte. Das war aber gar nicht so leicht; denn die Laube war schon alt und hatte keinen so festen Schlaf mehr. Sie knackste manchmal ganz unheimlich, so dass die Schneeflocken sehr erschraken und schon dachten, die Laube könne aufwachen. Aber sie hatte nur im Traum geknackst, so wie die Menschen manchmal im Traum sprechen.
  Am meisten Arbeit aber machte doch die Decke für den großen Rasenplatz. Die guten Schneeflocken gaben ihre eigenen Sternenmäntelchen dazu her - viele, viele tausend davon lagen schon auf dem Rasen. Aber immer noch war die Decke nicht dick und warm genug, und es mussten immer und immer noch Schneeflocken vom Himmel herunterkommen und ihre Mäntelchen oben drauflegen.
  Endlich, endlich war die Decke fertig. Es war eine prachtvolle Decke - so frisch und weiß und warm. Nun froren die armen Grashälmchen sicher nicht mehr.
  "Ist nun alles fertig?" fragten die Schneeflocken.
  "Ach nein - ach nein", flüsterte es in allen Ecken und Enden, "wir sind noch lange nicht fertig! Es sind aber auch so entsetzlich viele Kappen, die wir aufzusetzen haben. Helft uns doch, helft uns doch, sonst kommt der morgen und wir sind noch nicht fertig!" -
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  Sophie Reinheimer 1874 - 1935
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