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  Der Schnee ( 3 )
  Nun ging es aber husch! Husch! An das Austeilen der Kappen. Jedes Ding im Garten, das noch nichts bekommen hatte, bekam ein weißes Schneepelzkäppchen aufgesetzt, jeder Stein, jeder Pfahl am Zaun, sogar die alte Pumpe bekam eins. Weil es aber so arg in der Eile ging, kam es wohl vor, dass eins oder das andere eine Mütze bekam, die ihm zu groß oder zu klein war - oder dass sie ihm schief auf dem Kopfe saß. Aber das schadete nichts. Die Hauptsache war, dass niemand vergessen wurde und dass man bald fertig war. Und man war bald fertig. Nun brauchte keine Schneeflocke mehr zu kommen. Nur noch ein paar wurden von der Mutter Wolke hinabgeschickt; die sollten nachsehen, ob die andern ihre Sache gut gemacht hatten. Das hatten sie wirklich, man konnte mit ihnen zufrieden sein. Und nun war wieder alles ganz still im Garten.
 
  Aber dann am andern Morgen - das hättet ihr sehen sollen! Das war ein Erstaunen, ein Jubel und eine Freude, als nach und nach alle aufwachten und die Bescherung sahen. Die Sträucher wagten sich nicht zu rühren aus Angst, etwas von dem herrlichen Schmuck zu verlieren. Der Rasenplatz war glücklich über die schöne, warme Decke. Die alte Laube aber, die sonst immer am ersten aufgewacht war vor Kälte, die wachte heute zuallerletzt auf, so gut hatte sie in ihrem warmen Kragen geschlafen. Am allermeisten Vergnügen hatten aber doch die Zaunpfähle.
  "Dürfen wir diese schönen Kappen nun wohl immer behalten?" fragten sie. Aber der Morgenwind, der gerade des Weges daherspazierte kam, gab ihnen gleich die gehörige Antwort darauf. "Wo denkt ihr hin", sagte er, "wartet nur, bis die Sonne kommt, die wird sie euch von den Ohren ziehen; sie mag solche Verwöhnungen nicht leiden." Er ärgerte die Leute gern ein bisschen, der Morgenwind. "Pfiff!" machte er und blies noch rasch im Vorbeigehen dem einen Strauch ein bisschen von seinem Schmuck herunter, so dass ein kleines weißes Schneewölkchen in die Höhe flog.
  Nun kam noch ein anderer Besuch in den Garten, ein Rabe, ganz feierlich, im schwarzen Anzug.
  Er habe von der herrlichen Bescherung gehört und komme, sie sich anzusehen, sagte er. Dabei nahm er auf der alten Pumpe Platz.
  "Was haben sie denn da für eine Schlafmütze auf?" fragte er. "Sind Sie so faul, dass Sie eine brauchen?" Und dabei hob er das eine Bein und strich der Pumpe die schöne, neue Kappe vom Kopfe herunter.
  "Mach, dass du fortkommst, Grobian!" sagte sie und drohte ihm mit ihrem Schwengel, so dass der Rabe Angst bekam und fortflog.
  "Ich will einmal probieren, wie sich`s auf dem neuen Teppich geht", sagte er. "Ganz schön, nur ein bisschen glatt ist er, so ganz ohne Muster, ich will mal eins daraufmachen."
  Und nun hüpfte er auf dem Teppich herum, und überall, wo er hinhüpfte, gab es Striche, so dass der Teppich wirklich ganz gemustert aussah. Die andern fanden, dass der Teppich früher viel schöner gewesen war; aber dem Raben gefiel es so viel besser. Und er hätte sicher noch mehr Muster auf den Teppich gemacht, wenn - ja wenn nicht plötzlich mit großer Geschwindigkeit etwas Rotes dahergesaust gekommen wäre. Es war ein Schlitten. Die Kinder hatten ihn zu Weihnachten bekommen und freuten sich nun sehr, dass das Christkind ihnen auch Schnee dazu geschickt hatte. Rings um den Rasen herum ging die fröhliche Fahrt. Dann wurde haltgemacht, und nun kamen die Schneeballen an die Reihe.
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  Sophie Reinheimer 1874 - 1935
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