Der große Christbaum in der
Stadt mit seiner kostbaren Bescherung war ihr ganz aus dem Sinne gekommen, sie
lachte innerlich vergnügt, und ihre Blicke glänzten nicht anders als
die der Kleinen auch. Als sähe Ursula mit den Augen der Kinder, so gefiel
ihr nun selbst ihr Bäumlein, das sie doch erst so betrübt angeschaut
und woran noch dieselben gewöhnlichen Äpfel, die paar
Zuckerstücklein und der einzige Lebkuchen hingen. Aber in dem heimlichen
Schatten der grünen Ästlein schienen noch verborgene Herrlichkeiten
zu ruhen, aus den zitternden Flämmchen der Kerzen etwas Besonderes und
Feierliches zu strahlen, das einen eigenen Schimmer über alles andere
ausgoss und es gleichsam verklärte; es war wie das Leuchten des Himmels
über dem Stalle zu Bethlehem in der ersten Christnacht.
Dieses drang auch in das Herz der Mutter, und in ihrer unverhohlenen Freude
daran nahm sie mit ganzer Seele teil an all dem kindischen Gerede und auch an
der kindlichen Glückseligkeit. sie sagte sich's freilich nicht und wusste
es selbst nicht einmal klar; aber was sie inwendig verspürte und was auch
ihr Herz erheiterte und durchwärmte und sie selbst wieder zum Kinde werden
ließ, das war doch nur das Gefühl, dass die Freude und der Segen der
Weihnachtsbescherung nicht von kostbarer Herrlichkeit und vielen Geschenken
abhänge, sondern auch vom dürftigsten Christbäumchen unsichtbar
als Hauptbescherung leuchtet, die heilige Zufriedenheit und das köstliche
Bewusstsein: "Auch uns ist der Heiland geboren!"
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