Als ich Christtagsfreude holen ging ( 2 )
Nach langer Wanderung ins Tal gekommen zur Landstraße, klingelte
Schlittengeschelle, der Nebel ward grau und lichter, so daß ich die
Fuhrwerke und Wandersleute, die für die Feiertage nach ihren
Heimstätten reisten, schon auf kleine Strecken weit sehen konnte. Nachdem
ich eine Stunde lang im Tale fortgegangen war, tauchte links an der
Straße im Nebel ein dunkler Fleck auf, rechts auch einer, links mehrere,
rechts eine ganze Reihe - das Dorf Langenwang.
Alles, was Zeit hatte, ging der Kirche zu, denn der Heilige Abend ist voller
Vorahnung und Gottesweihe. Bevor noch die Messe anfing, schritt der hagere
gebückte Schulmeister durch die Kirche, musterte die Andächtigen, als
ob er jemanden suche. Endlich trat er an mich und fragte leise, ob ich ihm
nicht die Orgel melken wolle, es sei der Meßnerbub krank. Voll Stolz und
Freude, also zum Dienste des Herrn gewürdigt zu sein, ging ich mit ihm auf
den Chor, um bei der heiligen Messe den Blasebalg der Orgel zu ziehen.
Während ich die zwei langen Lederriemen abwechselnd aus dem Kasten zog, in
welchen jeder derselben allemal wieder langsam hineinkroch, orgelte der
Schulmeister, und seine Tochter sang also:
"Tauet, Himmel, den Gerechten,
Wolken, regnet ihn herab!
Also rief in bangen Nächten
einst die Welt, ein weites Grab.
In von Gott verhaßten Gründen
herrschten Satan, Tod und Sünden,
fest verschlossen war das Tor
zu dem Himmelreich empor."
Ferner erinnere ich mich, an jenem Morgen nach dem Gottesdienst in der
dämmerigen Kirche vor ein Heiligenbild hingekniet zu sein und gebetet zu
haben um Glück und Segen zur Erfüllung meiner bevorstehenden Aufgabe.
Das Bild stellte die vierzehn Nothelfer dar - einer wird doch dabei sein, der
zur Eintreibung von Schulden behilflich ist. Es schien mir aber, als schiebe
während meines Gebetes auf dem Bild einer sich sachte hinter den anderen
zurück.
Trotzdem ging ich guten Mutes hinaus in den nebligen Tag, wo alles emsig war in
der Vorbereitung zum Feste, und ging dem Hause des Holzhändlers
Spreitzegger zu. Als ich daran war, zur vorderen Tür hineinzugehen, wollte
der alte Spreitzegger, soviel ich mir später reimte, durch die hintere
Tür entwischen. Es wäre ihm gelungen, wenn mir nicht im Augenblicke
geschwant hätte: Peter, geh nicht zur vorderen Tür ins Haus wie ein
Herr, sei demütig, geh zur hinteren Tür hinein, wie es dem
Waldbauernbuben geziemt. Und knapp an der hinteren Tür trafen wir uns.
"Ah, Bübel, du willst dich wärmen gehen," sagte er mit
geschmeidiger Stimme und deutete ins Haus, "na, geh dich nur wärmen.
Ist kalt heut!" Und wollte davon.
"Mir ist nicht kalt," antwortete ich, "aber mein Vater
läßt den Spreitzegger schön grüßen und bitten ums
Geld."
"Ums Geld? Wieso?" fragte er, "ja richtig, du bist der
Waldbauernbub. Bist früh aufgestanden, heut, wenn du schon den weiten Weg
kommst. Rast nur ab.
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Peter Rosegger 1843 - 1918
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