Als ich Christtagsfreude holen ging ( 3 )
Und ich laß deinen Vater auch schön
grüßen und glückliche Feiertage wünschen; ich komm ohnehin
ehzeit einmal zu euch hinauf, nachher wollen wir schon gleich werden."
Fast verschlug's mir die Rede, stand doch unser ganzes Weihnachtsmahl in Gefahr
vor solchem Bescheid.
"Bitt wohl von Herzen schön ums Geld, muß Mehl kaufen und
Schmalz und Salz, und ich darf nicht heimkommen mit leerem Sack."
Er schaut mich starr an. "Du kannst es!" brummte er, zerrte mit
zäher Gebärde seine große, rote Brieftasche hervor, zupfte in
den Papieren, die wahrscheinlich nicht pure Banknoten waren, zog einen Gulden
heraus und sagte: "Na, so nimm derweil das, in vierzehn Tagen wird dein
Vater den Rest schon kriegen. Heut hab ich nicht mehr."
Der Gulden schob er mir in die Hand, ging davon und ließ mich stehen.
Ich blieb aber nicht stehen, sondern ging zum Kaufmann Doppelreiter. Dort
begehrte ich ruhig und gemessen, als ob nichts wäre, zwei Maßel
Semmelmehl, zwei Pfund Rindschmalz, um zwei Groschen, um einen Groschen Germ,
um fünf Kreuzer Weinbeerlen, um fünf Groschen Zucker, um zwei
Groschen Safran und um zwei Kreuzer Neugewürz. Der Herr Doppelreiter
bediente mich selbst und machte mir alles hübsch zurecht in Päckchen
und Tütchen, die er dann mit Spagat zusammen in ein einzelnes Paket band
und an den Mehlsack so hing, daß ich das Ding über der Achsel tragen
konnte, vorne ein Bündel und hinten ein Bündel.
Als das geschehen war, fragte ich mit einer nicht minder tückischen Ruhe
als vorhin, was das alles zusammen ausmache?
"Das macht drei Gulden fünfzehn Kreuzer," antwortete er mit
Kreide um den Mund.
"Ja, ist schon recht," hierauf ich, "da ist derweil ein Gulden,
und das andere wird mein Vater, der Waldbauer in Alpel, zu Ostern zahlen."
Schaut mich der bedauernwerte Mann an und fragte höchst ungleich: "Zu
Ostern? In welchem Jahr?" "Na nächste Ostern, wenn die
Kohlenraitung ist."
Nun mischte sich die Frau Doppelreitrin, die andere Kunden bediente, drein und
sagte: "Laß ihm's nur, Mann, der Waldbauer hat schon öfter auf
Borg genommen und nachher allemal ordentlich bezahlt. Laß ihm's
nur."
"Ich laß ihm's ja, wird ihm's nicht wieder wegnehmen,"
antwortete der Doppelreiter. Das war doch ein bequemer Kaufmann! Jetzt fielen
mir auch die Semmeln ein, welche meine Mutter noch bestellt hatte. "Kann
man da nicht auch fünf Semmeln haben?" fragte ich.
"Semmeln kriegt man beim Bäcker," sagte der Kaufmann.
Das wußte ich nun gleichwohl, nur hatte ich mein Lebtag nichts davon
gehört, daß man ein paar Semmeln auf Borg nimmt, daher vertraute ich
der Kaufmännin, die sofort als Gönnerin zu betrachten war, meine
vollständige Zahlungsunfähigkeit an. Sie gab mir zwei bare Groschen
für Semmeln, und als sie nun noch beobachtete, wie meine Augen mit den
reiffeuchten Wimpern fast unlösbar an den gedörrten Zwetschgen
hingen, die sie einer alten Frau in den Korb tat, reichte sie mir auch noch
eine Handvoll dieser köstlichen Sache zu: "Unterwegs zum
naschen."
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Peter Rosegger 1843 - 1918
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