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  Als ich Christtagsfreude holen ging ( 5 )
  Es war eine sehr köstliche Mahlzeit; wenn ich heute etwas recht gutes haben will, das kostet außerordentliche Anstrengungen aller Art; ach, wenn man nie und nie einen Mangel zu leiden hat, wie ist man da arm!
  Und wie war ich so reich damals, als ich arm war!
  Als ich nach der Mahlzeit mein Doppelbündel wieder auflud, war's ein Spaß mit ihm, flink ging es voran. Als ich später in die Bergwälder hinaufkam, und der graue Nebel dicht in den schneebeschwerten Bäumen hing, dachte ich an den Grabler Hansel. Das war der Kohlenführer, der täglich von Apsel seine Fuhre ins Mürztal lieferte. Wenn er auch heute gefahren wäre! Und wenn er jetzt heimwärts mit dem leeren Schlitten des Weges käme und mir das Bündel auflüde! Und am Ende gar mich selber! Daß es so heiß sein kann im Winter! Mitten in Schnee und Eisschollen schwitzen! Doch morgen wird alle Mühsal vergessen sein. - Derlei Gedanken und Vorstellungen verkürzten mir unterwegs die Zeit.
  Auf einmal roch ich starken Tabakrauch. Knapp hinter mir ging - ganz leise auftretend - der grüne Kilian. Der Kilian war früher einige Zeit lang Forstgehilfe in der gewerkschaftlichen Waldungen gewesen, jetzt war er's nicht mehr, wohnte mit seiner Familie in einer Hütte drüben in der Fischbacher Gegend, man wußte nicht recht, was er trieb. Nun ging er nach Hause. Er hatte einen Korb auf dem Rücken, an dem er nicht schwer zu tragen schien, sein Gewand war noch ein jägermäßiges, aber hübsch abgetragen, und sein schwarzer Vollbart ließ nicht viel sehen von seinem etwas fahlen Gesicht. Als ich ihn bemerkt hatte, nahm er die Pfeife aus dem Mund, lachte laut und sagte: "Wo schiebst denn hin, Bub?"
  "Heim zu," meine Antwort.
  "Was schleppest denn?"
  "Sachen für den Christtag."
  "Gute Sachen? Der tausend sapperment! Wem gehörst denn zu?"
  "Dem Waldbauer."
  "Zum Waldbauer willst gar hinauf! Da mußt hut antauchen."
  "Tu's schon," sagte ich und tauchte an.
  "Nach einem solchen Marsch wirst gut schlafen bei der Nacht," versetzte Kilian, mit mir gleichen Schritt haltend.
  "Heut wird nicht geschlafen bei der Nacht, heut ist Christnacht."
  "was willst denn sonst tun, als schlafen bei der Nacht?"
  "Nach Kathrein in die Mette gehen."
  "Nach Kathrein?" fragte er, "den weiten Weg?"
  "Um zehn Uhr abends gehen wir von Haus fort und um drei Uhr früh finden wir wieder daheim."
  Der Kilian biß in sein Pfeifenrohr und sagte: "Na hörst du, da gehört viel Christentum dazu. Beim Tage ins Mürztal und bei der Nacht in die Mette nach Kathrein! So viel Christentum hab ich nicht, aber das sage ich dir doch: wenn du dein Bündel in meinem Buckelkorb tun willst, daß ich es eine Zeitlang trag und du dich ausrasten kannst, so hast ganz recht, warum soll der alte Esel nicht auch einmal tragen!" Damit war ich einverstanden, und während mein Bündel in seinen Korb sank, dachte ich: Der grüne Kilian ist halt doch ein besserer Mensch, als man sagt. Dann rückten wir wieder an, ich huschte frei und leicht neben ihm her.
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  Peter Rosegger 1843 - 1918
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