Als ich Christtagsfreude holen ging ( 4 )
Nicht lange hernach, und ich trabte mit meinen Gütern reich und schwer
bepackt durch die breite Dorfgasse dahin. Überall in den Häusern
wurde gemetzgert, gebacken, gebraten, gekellert; ich beneidete die Leute nicht;
ich bedauerte sie vielmehr, daß sie nicht ich waren, der mit so
großem Segen beladen gen Alpel zog. Das wird morgen ein Christtag werden!
Denn die Mutter kann's, wenn sie die Sachen hat. Ein Schwein ist ja auch
geschlachtet worden daheim, das gibt Fleischbrühe mit Semmelbrocken,
Speckfleck, Würste, Nierenlümperln, Knödelfleisch mit Kren, dann
erst die Krapfen, die Zuckernudeln, das Schmalzkock mit Weinbeerln und Safran!
- Die Herrenleut da in Langenwang haben so was alle Tag, das ist nichts, aber
wir haben es im Jahr einmal und kommen mit unverdorbenem Magen dazu, das ist
was! - Und doch dachte ich auf diesem belasteten Freudenmarsch weniger noch ans
Essen, als an das liebe Christkind und sein hochheiliges Fest. Am Abend, wenn
ich nach Hause komme, werde ich aus der Bibel davon vorlesen, die Mutter und
die Magd Mirzel werden Weihnachtslieder singen; dann, wenn es zehn Uhr wird,
werden wir uns aufmachen nach Sankt Kathrein, und in der Kirche die feierliche
Christmette begehen bei Glocken, Musik und unzähligen Lichtern. Und am
Seitenaltar ist das Krippel, und aufgerichtet mit Ochs und Esel und den Hirten,
und auf dem Berg die Stadt Bethlehem und darüber die Engel, singend: Ehre
sei Gott in der Höhe! - Diese Gedanken trugen mich anfangs wie
Flügel. Doch als ich eine Weile die schlittenglatte Landstraße
dahingegangen war, unter den Füßen knirschenden Schnee, musste ich
mein Doppelbündel schon einmal wechseln von einer Achsel auf die andere.
In der Nähe des Wirtshauses "zum Sprengzaun" kam mir etwas
Vierspänniges entgegen. Ein leichtes Schlittlein mit vier feurigen,
hochaufgefederten Rappen bespannt, auf dem Bock ein Kutscher mit
glänzenden Knöpfen und einem Buttenhut. Der Kaiser? Nein, der Herr
Wachtler vom Schlosse Hohenwang daß im Schlitten, über und über
in Pelze gehüllt und eine Zigarre schmauchend. Ich blieb stehen, schaute
dem blitzschnell vorrüberrutschenden Zeug eine Weile nach und dachte:
Etwas krumm ist es doch eingerichtet auf dieser Welt; da sitzt ein starker Mann
drin und läßt sich hinziehen mit so viel überschüssiger
Kraft, und ich vermag mein Bündel kaum zu schleppen.
Mittlerweile war es Mittagszeit geworden. Durch den Nebel war die
milchweiße Scheibe der Sonne zu sehen; sie war nicht hoch an dem Himmel
hinaufgestiegen, denn um vier Uhr wollte sie ja wieder unten sein, zur langen
Christnacht. Ich fühlte in den Beinen manchmal so ein heißes
Prickeln, das bis in die Brust heraufstieg, es zitterten mir die Glieder. Nicht
weit von der Stelle, wo der Weg nach Alpel abzweigte, stand ein Kreuz mit dem
lebensgroßen Bildnis des Heilands. Es stand wie es heute noch steht, an
seinem Fuß Johannes und Magdalena, das Ganze mit einem Bretterverschlag
verwahrt, so daß es wie ein Kapelle war. Vor dem Kreuz auf die Bank, die
für kniende Beter bestimmt ist, setzte ich mich nieder, um Mittag zu
halten. Eine Semmel, die gehörte mir, meine Neigung zu ihr war so
groß, daß ich sie am liebsten in wenigen Bissen verschluckt
hätte. Allein das schnelle Schlucken ist nicht gesund, das wußte ich
von anderen Leuten, und das langsame Essen macht einen längeren
Genuß, das wußte ich schon von mir selber. Also beschloß ich,
die Semmel recht gemächlich und bedächtig zu genießen, und
dazwischen manchmal eine gedörrte Zwetschge zu naschen.
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Peter Rosegger 1843 - 1918
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