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  Lüttjemann und Lüttjerinchen ( 1 )
  Es war einmal zwei Mooswichte, die lebten in einem alten Steinbruch.
  Sie hatten ein einziges Kind, das nannten sie Lüttchemann, weil es noch viel kleiner war, als die Kinder der Mooswichte sonst sind, so klein, dass es in einer Wiege aus einer halben Walnussschale Platz hatte.
  Die alten Mooswichte liebten ihren einzigen Sohn zärtlich; er bekam das feinste Essen: Blumenhonig und Nusskernbrot und dazu Mondtau und herrliche Spielsachen: goldene Käferflügel, silberne Libellenaugen, blitzende Kristalle und funkelnde Steine.
  Als er größer wurde und zu Verstand kam, ließen ihn seine Eltern etwas Tüchtiges lernen: der Maulwurf lehrte ihn das Graben, der Specht das Meißeln, die Maus das Hobeln, der Käfer das Bohren, die Spinne das Weben, die Schnecke das Polieren, die Heuschrecke brachte ihm das Fiedeln und die Mücke das Singen bei.
  Als Lüttjemann so groß war, dass ihm der Bart wuchs, sagte sein Vater zu ihm: "Du kannst alleine in der Welt fertig werden. Suche dir eine Wohnung, richte sie dir hübsch ein, nimm dir eine Frau und sei glücklich mit ihr, wie ich es mit deiner Mutter bin. Und damit dir unterwegs niemand etwas tut, so hast du hier einen Spieß und Bogen und Pfeile." Und er gab ihm einen Schlehdorn, einen Bogen aus einer Fischgräte und Pfeile aus Wildschweinborsten mit giftigen Spitzen aus Bienenstacheln.
 
  Lüttjemanns Mutter weinte sehr, als sie das hörte, und wischte sich mit ihrer Schürze, einem roten Mohnblatt, die Augen. sie küsste ihren Sohn und sprach zu ihm: "Heirate kein Mädchen, das nicht dünn in der Mitte, blau in den Augen und blond auf dem Kopf ist. Und hier hast du allerlei auf die Reise mit." Und sie gab ihm eine Tasche aus Spitzmausfell, darin war: eine Bucheckernflasche mit Bickbeerwein, eine Wurst aus Schneckenfleisch, ein Brot aus Hirtentäschel.
 
  Lüttjemann wollte auch erst weinen, dass er nun so allein in die Welt hinaus musste, aber er dachte daran, dass er einen Bart, einen Spieß und Pfeil und Bogen hatte, küsste seinen Vater und seine Mutter und ging tapfer in die Welt hinaus.
 
  Als er eine Weile gegangen war, wurde er hungrig und setzte sich unter ein Klettenblatt, um zu frühstücken. Vorher aber rief er, wie es ihn seine Eltern gelehrt hatten: "Ich hab für zwei Mann genug im Sack, ist keiner da, der mithalten mag?"
 
  Da schnurrte es über Lüttjemann, der Zaunkönig kam angeflogen, machte einen tiefen Knix und sagte: "Ich esse auch nicht gern allein; ich bin so frei und lade mich ein."
  Sie aßen und tranken, und als der Zaunkönig satt war, bedankte er sich schön und sprach: "Will man dir etwas tun, so rufe mich, ich heiße Vogel Wunderlich." Lüttjemann ging weiter, und als er wieder hungrig wurde, setzte er sich unter einen Fliegenpilz, knöpfte sein Ränzlein auf und rief: "Ich habe für zwei Mann genug im Sack; ist keiner da der mithalten mag?"
  Da raschelte es neben ihm, und der Igel kam, bot Lüttjemann die Tageszeit und sprach: "Ich esse auch nicht gern allein; ich bin so frei und lad mich ein."
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  Hermann Löns 1866 - 1914
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