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  Die Geschichte vom Christkind und Nikolaus ( 2 )
  Bei ihm ging Alles in der größten Ruhe und Ordnung vor sich, denn er war ja ein Mann und da muss jedes Ding seinen regelmäßigen Lauf haben. Um so lustiger und unruhiger aber war es nebenan, wo das Marzipan und Anisgebackene verfertigt wurde. Gott, war das ein Getrappel und Gelaufe, ein Gekicher und Geschwätz - man konnte sein eigenes Wort nicht verstehen! Da kniete ein Engelchen vor einem ungeheuren Mörser und stieß Zucker fein, dort saß ein Anderes und las den Anis aus, ein Drittes rieb Zitrone ab, ein Viertes schlug die Eier auf, ein Fünftes stäubte das Mehl durch den Sieb, ein Sechstes hackte Mandeln, ein Siebentes malte den Zimt und Viere bis Fünfe hielten am Rand eine großmächtige Schüssel fest, vor der das Christkindchen stand und mit einem langen Löffel den Teig herumrührte.
  Zuweilen ward der Lärm so arg, dass der Nikolaus mit seinen Händen voll braunen Teig an der Türe erschien und Ruhe gebot. Da ging aber der Spektakel erst recht los; sie stürzten Alle auf den Nikolaus ein: "Hinaus", riefen sie, "Du brauner Kerl, hinaus! Du machst uns unser weißes Gebackne schwarz!" Dabei schlugen sie mit den leeren Mehlsäcken nach ihm, dass er so weiß ward, wie der Müller drunten in der Mühle. Nun war aber der Nikolaus auch nicht faul; er fasste mit seinen braunen Händen nach rechts und links, und wo er ein Engelchen erwischte, klebte er ihm mit dem klebrigen Honigteig den Mund zu, dass ihm für diesen Tag das Sprechen und Lachen verging. Das war ein rechter Jammer! Frau Holle und Christkindchen mussten oft so lachen, dass sie nicht mehr fortarbeiten konnten. Da war es kein Wunder, wenn der Nikolaus früher fertig ward, als die Frauenzimmer. Sie hatten kaum erst einige Hunde, Katzen, Pferde und die dicken Männlein von Anis und Marzipan fertig gebracht, als der Nikolaus schon rief: "Nun kommt und seht!"
  Sie liefen Alle in seine Stube, da duftete es köstlich und in langen Reihen lagen Tausende und Tausende von Odenwälder Honiglebkuchen aufgeschichtet. Viel Abwechslung war gerade nicht dabei; sie waren entweder rund oder herzförmig und in der Mitte hatte der Nikolaus ein Bild hineingedrückt, nach seinem absonderlichen Geschmack. Gewöhnlich war es Adam und Eva im Paradies oder auch ein Reitersmann und zuweilen das liebe Christkind selbst, mit einer Strahlenkrone auf dem Kopf. Um das Bild herum war mit schönen weißen Buchstaben ein Vers gemalt. Weil aber der Nikolaus nicht recht schreiben kann, so kann man ihn auch nicht recht lesen und es ist darum allen Kindern zu raten sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, sondern ihn ungelesen zu verzehren.
  Frau Holle lobte den Nikolaus sehr wegen der schönen Arbeit, die er gemacht und trieb nun die Andern wieder tüchtig an's Werk. Sie schämten sich nun vor dem Nikolaus und eilten sich mehr als zuvor. Bald roch der ganze Böllstein so gut wie eine Hofküche und bis zum andern Morgen lagen ganze Gebirge von Marzipan und Anisgebacknes fertig.
  Als es Abend ward, zog Frau Holle dem Nikolaus ihren Pelzrock an und setzte ihm die Pelzmütze auf, füllte die Körbe des Eselchens mit Zuckerwerk und Ruten, legte ihm sein rotes Geschirr um und hob dann das Christkindchen, das seine schönsten Kleider an hatte, auf den Sattel. Der Nikolaus warf noch seinen Sack voll Nüsse und Äpfel über die Schulter, nahm dann die Zügel in die Hand und fort ging es durch die dunkle Nacht den Berg hinab zu den hellen Wohnungen der Menschen. Frau Holle aber steckte sich schnell in ihr warmes Bett und war froh, dass sie nicht mehr hinaus und dann auf einem Zwirnsfaden heim reiten musste.
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  Luise Büchner 1821 - 1877
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