Weihnachten im Walde ( 2 )
Flogen die
Leichtbeschwingten wieder davon, dann schnellten die kleinen Zweige den Schnee
federgleich empor, andere Schneelagen wehten mit herab und im Nu war die Luft
mit Tausenden sonnendurchschienener Kristalle erfüllt und ein
entzückendes Glitzern und Flimmern durchglänzte das Dunkel des
Waldes. So setzte ich meine Wanderung fort, bisweilen Wege überschreitend,
die etwa zu einem Heidedorfe führten, oder den plumpen Fußspuren der
Waldarbeiter begegnend, die in den Holzschlägen noch vollauf Arbeit fanden
und deren eintönige Axtschläge den Forst durchhallten. Bald kam ich
auch an einer solchen Blöße vorbei, wo die wackeren Leute schon
fleißig ihrer schweren Arbeit oblagen, während hinter der haushohen
Wurzelwand einer vom Sturme niedergeworfenen Riesenfichte ihr hell flackerndes
Feuerchen brannte, dem die knisternden Funken lustig entstiegen, indes der
blaue Rauch die umliegenden mächtigen Waldwände in hoher duftiger
Säule überstieg. Von hier aus führte mich mein Weg hinab in ein
erlenbestandenes Tal, wo das wilde, über die Kiesel seines Bettes noch
ungefesselt rauschende Wasser in schäumender Flut die schneeigen und an
ihren Säumen beeisten Ufer netzte. Später betrat ich wieder die
Heerstraße; aus den einsam zur Seite gelegenen Heidedörfern klang
der anheimelnde Dreiklang der Dreschflegel; aber weit ab von ihnen, tief im
Forste einer meilenweit eingehegten Wildbahn, lag mein Ziel: eine jeglicher
menschlichen Wohnung fern stehende Försterei.
Hier endlich angekommen ward ich auf's Herzlichste willkommen geheißen,
und die Kinder, mit denen das Haus vollauf gesegnet war, umsprangen mich
fröhlichen Mutes; war ja doch heute das liebe Weihnachtsfest und die
Kleinen, Knaben wie Mädchen, die mir herzlich zugetan waren, ahnten wohl,
dass ihr Gast an einem solchen Tage nicht leer gekommen sein würde. So
verbrachte ich denn den Nachmittag im traulichen, echt waidmännisch
geschmückten Stübchen der Försterwohnung, hier und da helfende
Hand mit anlegend, wo der Förster für seine Buben noch für den
Abend zu schnitzen oder zu leimen hatte. So war der Abend bald herbeigekommen
und nun ließen sich die gütigen Försterleute nicht länger
bitten, und es ward die harzduftige, frisch glänzende Tanne, bereits
geschmückt mit buntem Flitter und vergoldeten und silberbetupften
rotwangigen Äpfeln und klappernden Nüssen, hereingebracht. Darunter
aber wurden auf schneeweißem Tischtuch die Geschenke für die im
Nebenstübchen jubelnden Wildfänge ausgebreitet, dann noch hurtig die
Lichter des Baumes entzündet, worauf der Signalruf auf des Vaters
Flügelhorn ertönte, der die jauchzenden, sich drängenden
Geschwister im Nu zur Tür hereintosen ließ. Da gab's denn ein Freuen
und Seligsein der staunenden Kleinen. Hier ward der niedliche, so naturgetreue
Wildschuppen mit seinen daneben aufgestellten Tieren bewundert, dort die
kleinen Flinten und Jagdtaschen gemustert; von den Mädchen aber mit
gleicher Wonne die Puppen, Wägelchen, Kochgeschirre u.s.w in's Auge
gefasst. Aber auch Höschen und Schürzchen, Strümpfe und Schuhe
fanden vollsten Beifall, der sich natürlich auch ganz besonders auf die
rosinenreichen Stollen und das andere Naschwerk erstreckte.
Draußen aber ward der Mond aufgegangen und beleuchtete die
Winterlandschaft mit erst noch bleichem Schein, der von dem
lichtglänzenden Stübchen aus fast gespenstig erschien, bis er in
hellstrahlender Pracht den grabesstillen Wald überstrahlte. Da rief
plötzlich das älteste Mädchen freudig: "Die Hirsche, die
Hirsche kommen!"
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Guido Hammer 1821 - 1898
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