Weihnachten im Walde ( 3 )
Und schnell das Schürzchen voll Äpfel nehmend,
öffnete es das Fenster, sie ihren Lieblingen zum Leckerbissen auf die
äußere Brüstung desselben und die darunter stehende Gartenbank
zu legen. Mich aber hatte der Ruf nicht wenig erregt, neugierig spähte ich
hinaus und wirklich erblickte auch ich nun die Verkündeten: zwei geweihte
stattliche Edelhirsche nebst einem dergleichen Spießer, die von Weitem
vertraulich an die Försterei herangezogen kamen, beim Fensteröffnen
aber doch verschüchtert ein paar Schritte zurückwichen. Doch nicht
lange dauerte es, so kamen sie wieder näher, aber dabei immer erst wieder
einmal Halt machend und sichernd, was jedoch, wie mir der Förster
versicherte, von ihnen heute nur ausnahmsweise in so zögernder Art
geschah, wahrscheinlich weil sie den ungewohnten Lichtglanz des
Weihnachtsbaumes scheuten. Endlich, nach ziemlich langem Besinnen, kamen die
Forschenden vorsichtig genug, langte der eine von den Hirschen, der, welcher
nur sechs Enden auf dem Schädel trug, sofort zu, die schmackhaften
Christäpfel sich trefflich munden lassend. Der Spießer hingegen wie
der stolze Zwölfender (denn ein solcher war der dritte Mitgekommene)
zögerte misstrauisch noch lange, ehe sie sich entschlossen, die
verlockenden Früchte zu berühren. Ich aber schlich mich nun auf des
Förster Rat zum Hinterpförtchen hinaus, den seltenen Anblick mit
allen seinen Reizen unmittelbar im Freien zu genießen, was mir auch, da
ich natürlich gegen den Wind mich stellte, die Hirsche aber überhaupt
den Verkehr am Hause gewöhnt waren, im vollsten Maße gelang.
So stand ich dann draußen in monderhellter Waldesnacht, vor mir das
malerische fichtenumschlossen Jägerhaus mit den alten Linden, hinter deren
einem Stamme hervor der Spießer neugierig nach dem lichtschimmernden
kleinen Fensterchen der trauten Waidmannswohnung, welche so herzige Kinderlust
in sich barg, äugte. Die beiden starken Hirsche aber, die sich seit Langem
schon gewöhnt hatten, allabendlich von der nahen Wildfütterung
herüber an die Wohnstätte ihres freundlichen Hüters zu kommen,
wo ihnen durch dessen Kinder jedes Mal noch ein Mund voll Körner,
Kastanien, Möhren oder Obst geboten wurde, ließen sich auch heute
statt der gewöhnlichen Holzäpfel die süßere Christkost der
kleinen Geber wohl schmecken, dabei aber mit nicht weniger Verwunderung, als
ihr jungendlicher Kumpan, die außergewöhnliche Helle im heimischen
Raume betrachtend.
Mir aber ward durch diese Szene eine seltene und unübertroffene
Weihnachtsfreude bereitet, und nicht satt schauen konnte ich mich an dem so
eigentümlich fesselnden, herrlichen Bilde. Schier zauberhaft waren die
hochgeweihten Häupter der Hirsche von dem goldenen Glanz der
Weihnachtslichter angestrahlt, dass die prunkenden Enden ihrer Kopfzier bei
jeder Bewegung hell aufblitzten, während die dem Lichtstrom sonst
abgewandten Gestalten bläulich glänzende Mondhelle umspielte. Dazu
die Stille der geisterhafte durchhellten Waldesnacht, die nur zuweilen durch
das laute Aufjubeln der Kinder drinnen im schmucken Stübchen unterbrochen
wurde, während der mondbestrahlte Quell den ausgehöhlten Baumstamm im
Gehöfte des Försters unter leisem Plätschern geschäftig
füllte.
Lange, lange gab ich mich den bestrickenden eindrücken hin; dann aber
rasch, fast wehmütig von der glücklichen Familie Abschied nehmend,
trat ich den weiten einsamen Heimweg an, der mich erst in weit vorgeschrittener
Nacht meiner stillen Behausung zuführte.
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Guido Hammer 1821 - 1898
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