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  Das Geheimnis der Mischung ( 4 )
  Drum, wenn sie dir warm halten die Füß,
  denk an deine Tochter Elis'!"
 
  Diese Verse haperten zwar, aber sie kamen von Herzen. Dann rückte die dreijährige Marie an. Sie konnte nur mit einem Vaterunser aufwarten. Der fünfjährige Fritz hinwieder hatte sich statt auf die Religion auf die Kunst verlegt. Mit seinem piepsenden Stimmlein sang der kleine Käsehoch ein Lied herunter.
  "Kinder! Kinder! her zu mir!" schrie der junge Vater. Mit beiden Armen fasste er die drei Knirpse zusammen, und während er sie so eng an seine Brust drückte, dass sie lange Gesichter schnitten, schaute er, über ihre Blondköpfe hinweg, ins Leere und stammelte: "Der - der soll mir kommen - und soll mir so eine Freud verderben wollen - so eine Freud!" Da klang von draußen ein schrillender Glockenton in die Stube. Frau Schaller schaute ihren Mann erschrocken an - weshalb sie erschrak, das wusste sie selbst nicht - ; dann ging sie, um die Tür zu öffnen. Zwei Dienstmänner brachten einen großen Korb und schleppten ihn in die Stube. Von wem er wäre, wussten sie nicht; ein vornehmer Herr hätte sie geschickt und ließe ausrichten, dass er selbst nachkäme. Mit zitternden Händen schlug Frau Schaller den Deckel des Korbes in die Höhe; und was da zum Vorschein kam, entlockte den drei Kindermäulchen ein staunendes, jubelndes Ah! Spielsachen, Backwerk, Kleiderstoffe, das wollte fast kein Ende nehmen; und ganz zu unterst wurde ein kleines, zierlich beschlagenes Kästchen ausgegraben, das sich bis zum Rand angefüllt zeigte mit blitzblanken Silbergulden. Erblasst bis in die Lippen, schaute Frau Schaller zu ihrem Mann auf; der aber streckte schon, das Gesicht von dunkler Zornröte übergossen, die beiden Hände, packte das Kästchen und warf es in den Korb zurück, dass die Münzen klirrend in die Höhe sprangen. "Fort - fort mit dem Geld, sag' ich - und die Hände von dem Zeug, Kinder, die Händ' weg!" schrie er mit bebender Stimme. "Der Lump - weil er's auf geradem Weg nicht fertiggebracht hat - jetzt meint er, er kann mich von hinten packen! Mitnehmen sollen sie's wieder - auf der Stell!"
  Er eilte in den Flur hinaus, um die beiden Dienstmänner zurückzurufen. Draußen aber stand er wie versteinert und brachte kein Wort über die Lippen. Unter der offenen Wohnungstüre stand sein Chef, Herr Seydelmann, eine stattliche Erscheinung von bürgerlich-behäbigem Aussehen. "Guten Abend, lieber Schaller!" "Sie - Herr Seydelmann - Sie kommen - zu mir?" "Wie Sie sehen. Und - wissen Sie auch, was ich möchte?" lächelte der alte Herr. "Ich möchte Sie fragen, wie Ihnen heute Nachmittag der Kaffee geschmeckt hat."
  Dem jungen Mann fielen die Lippen auseinander und mit zitterndem Arme tastete er nach der nahen Mauer. Wie ein grauer Schleier kam's ihm vor die Augen, er sah nichts mehr, er fühlte nur, wie ihm sein Chef die Hand auf die Schulter legte, und hörte ihn mit leiser, ernster Stimme sagen: "Sie haben ein Recht, lieber Schaller, diese Geschichte von heute Nachmittag eine Beleidigung zu nennen; und ich komme auch, um Ihnen Abbitte zu leisten. Ich hatte Vertrauen zu Ihnen - als Mensch. Aber ich bin auch Geschäftsmann und als solcher muss ich mich von der Richtigkeit meiner Meinung überzeugen. Der Herr, welcher Sie heute in das Kaffeehaus gerufen hat, ist mein Schwager gewesen.
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  Ludwig Ganghofer 1855 - 1920
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