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  Ein besonderes Weihnachtsfest ( 3 )
  "Wer spricht jetzt den Weihnachtssegen?" fragt der Alte, "wer segnet den Baum?"
  "Wollen sie es nicht tun?" fragte ich.
  Er ist sofort dazu bereit, tritt vor und hebt seine Hände empor: "Jesus Christus segne diesen Weihnachtsbaum!" sagt er laut. Dann wendet er sich ein wenig verlegen zu mir. "Weiter kann ich den Spruch nicht", sagt er kleinlaut, "in meiner Kindheit habe ich ihn mal gekonnt."
  "Das macht nichts", sage ich tröstend, "wir lesen jetzt das Weihnachtsevangelium."
  Ich lese es beim Strahl der Weihnachtskerzen. Dann setzen wir uns zusammen unter den Weihnachtsbaum zu einem Glase Wein. Der Alte soll aus seinem Leben erzählen. Da geht ihm sein Herz auf. "Ich muss ihnen die Wahrheit sagen, meine Damen", sagt er, "Sie sind so gut gegen mich gewesen, ich muss mein Herz erleichtern: ich bin weder arm, noch ein Bettler, ich bin ein ganz wohlsituierter Mann. Wir haben gute Kinder, die uns versorgen, wir haben eine nette kleine Wohnung, und es geht uns eigentlich nichts ab. Aber um so behaglich leben zu können, reicht es nur sechs Tage in der Woche, und um den siebten Tag ebenso leben zu können, muss ich betteln. Da habe ich denn mein Bettlerkostüm, meinen Bettelsack und meinen Knotenstock. Ich gehe dann schon am Morgen früh fort, wenn es noch dunkel ist, damit mich die Nachbarn nicht so sehen, denn ich würde mich ja zu Tode schämen, wenn das herauskäme. Abends komme ich wieder heim und habe immer etwas in meinem Bettelsack, was ich meiner Frau mitbringe, so dass wir den nächsten Tag gut leben können. Die Damen sollten uns einmal zum Kaffee besuchen, es würde Ihnen schon bei uns gefallen. Nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich Sie zuerst belogen habe. Sie sind gewiss ein paar freundliche Damen, die auch mal einen Spaß verstehen."
  Die beiden Alten lachten so fröhlich und waren so unbefangen in ihrer Lustigkeit, dass wir mitlachen mussten.
  Wir nahmen herzlichen Abschied voneinander und versprachen, sie einmal zum Kaffee zu besuchen. "Meine Alte versteht einen besonderen Kaffee zu kochen", sagte er, "er kann sich sehen lassen, auch vor Damen.
  Als wir diese Weihnachtsfeier dem Stadtmissionar schilderten, sagte er : "Da habt ihr doch noch Glück gehabt, es hätte auch ein verkappter Mörder sein können."
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  Monika Hunnius 1858 - 1934
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