Die Männer aus dem feurigen Ofen mussten durchaus den Eindruck gewinnen,
als werde ihnen hier unverhohlene - ja begeisterte Bewunderung zuteil.
Einer von ihnen, dem die Augen ungefähr in gleicher Höhe mit dem
Munde saßen, dessen obere Kopfhälfte aber dafür
außerordentlich viel Platz zum Denken ließ, philosophierte:
"Der Geschmack und die Ansichten dieser Welt scheinen sehr geteilt zu
sein. Was von dem einem verlacht wird, wird von den andern bewundert."
Mit dieser Erkenntnis suchten seine Kameraden - je nach Veranlagung - (d.h.: je
nachdem man ihnen die Korinthen in den Kopf gedrückt und dadurch ihren
Gesichtern Ausdruck verliehen hatte) fertig zu werden. Die einen mit Humor, die
andern mit Pessimismus, die dritten mit dem Grundsatz der allgemeinen
Wurschtigkeit.
"Was aber mag der eigentliche Zweck des Lebens - des Lebens eines
Nikolauses - sein?" grübelte der mit der Denkerstirne weiter.
Er brauchte nicht lange auf die Antwort zuwarten. Die Ladentür klingelte,
und herein trat eine Frau in Schürze, Pantoffeln und Kopftuch. "Gewwe
Se mer mal sechs Stick von dene Nikkeleese", sagte sie zur
Bäckermeisterin. "Mer muss doch merkke, dass heit Nikkeleesabend is.
Awwer von dene große - zu 10 Pfennig."
"Aha!" dachte der Philosoph aus Kuchenteig. "Die Dinge des
Lebens werden also verschieden bewertet. Je nach Größe und Umfang -
sehr vernünftig!"
Er verschwand mit fünf Kollegen in einer Tüte. "Zuhause"
wurde er ausgepackt.
"Wie groß ist doch die Welt! Nicht nur einen Geburtsort und einen
Kaufladen - nein: auch noch eine Straße und ein "Zuhause" gibt
es darin -" dachte er begeistert.
Nun verbreitete sich in der Stube ein würziger Duft; Tassen wurden auf den
Tisch gestellt und in jede derselben ein Nikolaus hineingesteckt. Recht
stattlich nahm er sich doch aus, dieser Kreis von wackeren Kumpanen!
Herzerquickend war denn auch die Freude der Kinderschar.
Unser Held wollte gerade ausrufen: "Kameraden - O Gott - das Leben ist
doch schön!" da verzogen sich seine drei Münder - oder seine
drei Augen - wie man's nehmen will - und er spürte einen Riss in seiner
Kopfhaut. "Ach nein - kurz scheint's zu sein," konnte er
merkwürdigerweise doch noch denken. "Und der Hunger scheint
mächtiger zu sein als die Liebe."
Hierin hatte er nicht unbedingt recht - glücklicherweise. Denn wenn auch
seine fünf Genossen geköpft, gevierteilt oder sonst wie misshandelt
und dann aus kannibalische Weise verspeist wurden - er kam mit einer leichten
Verletzung davon.
"Ich will mein Nikkelees doch liewer erst mal dem werkliche Nikkelees heit
abend zeige -" sagte seine kleine Besitzerin liebevoll.
"Tu des - tu des nur, mei Herzche," nickte die Mutter.
Also ward dem Glücklichen noch eine Galgenfrist beschert. Er benutzte sie
natürlich sofort wieder zum philosophieren. "Nur die Gedanken
scheinen ewig," meinte er. -
Nun: Der Abend kam, und der wirkliche Nikolaus kam. Er betrachtete sein
Kuchen-Konterfei - lange und prüfend; und schüttelte dann sein
ehrwürdiges Haupt.
Plötzlich aber hellte sich die Miene des wirklichen Nikolaus auf.
"Ich armer Nikolaus - soll ich schon klagen?" rief er aus. "Du
lieber Gott - - - was musst du erst alles an deinen Ebenbildern erleben!"
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