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  Der Schneemann ( 1 )
  Es war einmal ein Schneemann, der stand mitten im tief verschneiten Walde und war ganz aus Schnee. Er hatte keine Beine und Augen aus Kohle und sonst nichts und das ist wenig. Aber dafür war er kalt, furchtbar kalt. Das sagte auch der alte griesgrämige Eiszapfen von ihm, der in der Nähe hing und noch viel kälter war.
  "Sie sind kalt!" sagte er ganz vorwurfsvoll zum Schneemann.
  Der war gekränkt. "Sie sind ja auch kalt," antwortete er.
  "Ja, das ist etwas ganz anderes," sagte der Eiszapfen überlegen.
  Der Schneemann war so beleidigt, dass er fort gegangen wäre, wenn er Beine gehabt hätte. Er hatte aber keine Beine und blieb also stehen, doch nahm er sich vor, mit dem unliebenswürdigen Eiszapfen nicht mehr zu sprechen. Der Eiszapfen hatte unterdessen was anderes entdeckt, was seinen Tadel reizte: ein Wiesel lief über den Weg und huschte mit eiligem Gruß an den beiden vorbei.
  "Sie sind zu lang, viel zu lang!" rief der Eiszapfen hinter ihm her, "wenn ich so lang wäre, wie Sie, ginge ich nicht auf die Straße!" "Sie sind doch auch lang," knurrte das Wiesel verletzt und erstaunt. "Das ist etwas ganz anderes!" sagte der Eiszapfen mit unverschämter Sicherheit und knackte dabei ordentlich vor lauter Frost. Der Schneemann war empört über diese Art, mit Leuten umzugehen, und wandte sich, soweit ihm das möglich war, vom Eiszapfen ab. Da lachte was hoch über ihm in den Zweigen einer alten schneeverhangnen Tanne, und wie er hinaufsah, saß ein wunderschönes, weißes, weiches Schnee-Elfchen oben und schüttelte die langen hängenden Haare, dass tausend kleine Schneesternchen herab fielen und dem armen Schneemann gerade auf den Kopf. Das Schnee-Elfchen lachte noch lauter und lustiger, dem Schneemann aber wurde ganz seltsam zu Mut und er wusste gar nicht, was er sagen sollte, und da sagte er schließlich: "Ich weiß nicht, was das ist...."
  "Das ist etwas ganz anderes," höhnte der Eiszapfen neben ihm.
  Aber dem Schneemann war so seltsam zu Mute, dass er gar nicht mehr auf den Eiszapfen hörte, sondern immer hoch über sich auf den Tannenbaum sah, in dessen Krone sich das weiße Schnee-Elfchen wiegte und die langen hängenden Haare schüttelte, dass tausend kleine Schneesternchen herab fielen.
  Der Schneemann wollte unbedingt etwas sagen über das eine, von dem er nicht wusste, was es war, und von dem der Eiszapfen sagte, dass es etwas ganz anderes wäre. Er dachte schrecklich lange darüber nach, so dass ihm die Kohlenaugen ordentlich herausstanden vor lauter Gedanken, und schließlich wusste er, was er sagen wollte, und da sagte er:
 
  "Schnee-Elfchen im silbernen Mondenschein,
  du sollst meine Herzallerliebste sein!"
 
  Dann sagte er nichts mehr, denn er hatte das Gefühl, dass nun das Schnee-Elfchen etwas sagen müsse, und das war ja wohl auch nicht unrichtig.
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  Manfred Kyber 1880 - 1933
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