Danke liebes Christkind ( 2 )
Reizende Bauernstühlchen
umgaben den altertümlichen Holztisch. Ein Kanapee mit niedlichen
gestickten Kisslein zeigte eine Reihe von weiß gekleideten Kinderchen.
Die schöne Mama mit blauseidenem Kleid ruhte in einem Schaukelstuhl. an
einem kleinen Messingarm hing eine rote, schwanke Ampel und allerliebste
Bildchen zierten die Wände neben duftigen Fenstergardienen. Jolanda
schwamm in einem Meer von Entzücken. Ihre kleinen Fingerchen betasteten
all die Wunder menschlicher Geschicklichkeit.
Sie räumte aus und räumte ein und ließen die Kinderchen bald da
bald dort sitzen und fröhlich Kaffee trinken aus winzigen, winzigen
Tässchen. Es war ein großes, seliges Kinderglück, das sich
schaltend und gestaltend im neuen Stüblein entfaltete.
Die Lichtlein waren erloschen. Die Weihnachtsstube war still; nur der Duft
angerauchter Tannennadeln zog darüber hin wie der Nachklang der Freude.
Eine helle Lichtspalte zeigte, dass drüben im Nebenzimmer die großen
Leute noch beisammen saßen um den besetzten Tisch. Jolanda war nicht mehr
dabei. Jolanda war ins Bettlein gebracht worden vom sorglichen Mütterlein,
die die heißen Bäcklein und die glühenden Augen ängstlich
im Dunkel des Bettleins geborgen hatte. Da sollte der Liebling ausruhen von der
Freude; denn auch Freuen ist eine Arbeit für kleine zarte Herzchen. Aber
die Äuglein wollten sich nicht schließen, die Händchen nicht
ruhig werden. Immer tanzten helle, strahlende Lichter auf der Decke auf und ab
und zierliche weiße Püppchen hielten die Augenlider fest, dass sie
sich nicht schließen konnten und verjagten das Sandmännchen.
Als Mama eben den frohen Kreis mit einem duftenden Tee bedienen wollte,
hörte sie ein leises Rauschen im Christbaumsaal. Sie eilte hinüber,
von leiser Ahnung erfasst. Still blieb sie auf der Schwelle stehen, um das
Bildchen, das sich ihr bot, voll und ganz zu genießen. Da stand Jolanda
im weißen Nachtgewand mit bloßen Füßen. sie nahm ein
Püppchen nach dem andern in die Hand und küsste es zärtlich,
dann kam der Tisch und die Stühlchen, jedes bekam ein Küsslein.
Endlich faltete sie die runden Händchen und leise lispelten die Lippen:
"Liebes Christkind, ich danke dir!"
Da eilte die Mutter auf den Liebling zu, hüllte ihn lind und warm in ihre
Arme und trug ihn zurück in sein Bettchen. "Ich wollte nur der
Puppenstube gute Nacht sagen! Wie froh bin ich, dass das Christkind mir diese
gebracht !"
Da lag nun das Köpflein müde im Kissen, und während Mamas Hand
leise die kleinen, heißen Hände hielt, kam Sandmännchen
unvermerkt und lautlos und streute seine Schlummerkörnchen auf die
lichthellen Augen, und hinter den geschlossenen Lidern träumte Jolanda
weiter vom guten, segenspendenden Christkind.
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Dora Schlatter 1855 - 1915
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