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  Weihnachtsmärchen ( 1 )
  In einem Häuschen am Eingang eines Waldes lebte ein armer Tagelöhner, der sich mit Holzhauen mühsam sein Brot verdiente. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, ein Knäblein und ein Mägdlein. Das Knäblein hieß Valentin und das Mädchen Marie, und sie waren gehorsam und fromm zu der Eltern Freude und halfen ihnen fleißig bei der Arbeit. Als die guten Leute eines Winterabends, da es draußen schneite und wehte, zusammen saßen, da pochte es leise an das Fenster, und ein feines Stimmchen rief draußen: "O lasst mich ein in euer Haus! Ich bin ein armes Kind und habe nichts zu essen und kein Obdach und meine, schier vor Hunger und Frost umzukommen. O lasst mich ein!"
  Da sprangen Valentin und Mariechen vom Tisch auf, öffneten die Türe und sagten: "Komm herein, armes Kind, wir haben selber nicht viel, aber doch immer mehr als du, und was wir haben, das wollen wir gern mit dir teilen." Das fremde Kind trat ein und erwärmte sich am Ofen die erstarrten Glieder, und die Kinder gaben ihm zu essen, was sie hatten, und sagten: "du wirst wohl müde sein. Komm, leg dich in unser Bettchen, wir wollen auf der Bank schlafen."
  Da sagte das fremde Kind: "Dank es euch mein Vater im Himmel." Sie führten den kleinen Gast in ihr Kämmerlein, legten ihn zu Bett, deckten ihn zu und dachten sich: "O wie gut haben wir es doch! Wir haben unsere warme Stube und unser Bettchen; das arme Kind aber hat gar nichts als den Himmel zum Dach und die Erde zum Lager." Als nun die Eltern zur Ruhe gingen, legten sich Valentin und Marie auf die Bank beim Ofen und sagten zueinander. "Das fremde Kind wird sich nun freuen, dass es warm liegt. Gute Nacht!"
  Die Kinder aber hatten kaum einige Stunden geschlafen, da erwachte die kleine Marie und weckte leise ihren Bruder und sagte: "Valentin, wach auf, wach auf! Hör doch mal die schöne Musik vor unserem Fenster!" Da rieb sich Valentin die Augen und lauschte. Es war ein wunderbares Klingen und Singen, das sich vor dem Hause vernehmen ließ. Und ganz deutlich hörten sie die Worte:
 
  Oh heil'ges Kind wir grüßen dich
  mit Harfenklang
  und Lobgesang.
  Du liegst in Ruh, du heilig Kind;
  wir halten Wacht
  in dunkler Nacht.
  O Heil dem Haus, in das du kehrst!
  Es wird beglückt
  und hoch entzückt!
 
  Als die Kinder das hörten, befiel sie eine freudige Angst; sie traten ans Fenster um zu schauen, was draußen geschähe. Da sahen sie im Osten das Morgenrot glühen und vor dem Hause viele Kinder stehen, die goldene Harfen in den Händen hatten und mit silbernen Kleidern angetan waren. Erstaunt und verwundert ob dieser Erscheinung starrten sie zum Fenster hinaus. Da berührte sie ein leiser Schlag, und als sie sich umwandten, sahen sie das fremde Kind vor sich stehen.
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  Franz von Pocci 1807 - 1876
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